Der Abteilungsleiter kippt mit einem Herzinfarkt plötzlich um und ist tot. Die Frau des Kollegen leidet an einer lebensbedrohlichen Krankheit: Wie man damit als Arbeitnehmer und -geber umgeht, dazu geben die Arbeitsseelsorger des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (kda) Seminare für Führungskräfte. In ihnen geht es um den Umgang mit dem ersten Schock bis zur Frage, wer den Spind räumt, verrät Diakon René Steigner.
epd: Mit welchen Trauerfällen sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren Betrieben nach ihren Erfahrungen konfrontiert?
René Steigner: Es ist schon passiert, dass ein Chef einen Infarkt erleidet und einem Kollegen tot in die Arme sinkt. Immer wieder werden Arbeiter an einer Maschine wegen eines Bedienfehlers tödlich verletzt. Es schockiert aber die Belegschaft genauso, wenn ein Kollege nach dem Wochenende nicht mehr an den Schreibtisch zurückkehrt, weil er beim Motorradfahren einen tödlichen Unfall hatte. Am häufigsten ist es aber, dass ein Betrieb damit umgehen muss, wenn ein Angehöriger eines Mitarbeiters stirbt. Gerade an der Stelle wird’s dann ganz besonders problematisch für Betriebe.
Warum das?
Steigner: Wenn im Betrieb selbst jemand stirbt oder der Arbeitsplatz leer bleibt, dann ist das für jeden ersichtlich. Ja, es ist dann ein Betriebsthema. Aber wenn private Trauer im Umfeld passiert, dringt Trauer von außen in die Firma hinein. Dieser Trauer gehen viele gerne mal aus dem Weg und fragen sich, ob die nicht zu Hause bleiben müsste. Aber das Problem ist, es gibt keinen Knopf, mit dem man Trauer abschalten kann, und es ist individuell, wie lange sie dauert.
Trauer ist ein solch extremes Ereignis und kann negative Auswirkungen auf die Arbeitsmenge und die Arbeitsqualität eines Beschäftigten haben. Die Frage für Chefs ist dann, wie damit umgehen? In unserem Seminar versuchen wir, Führungskräfte zu sensibilisieren, dass sie in ihren Abteilungen und mit den Mitarbeitern in einen näheren Austausch gehen müssen, damit sie die Stimmung mitbekommen und Zeiträume besser einschätzen können. Denn es kann ein Ritt auf der Rasierklinge sein: Wie geht man auf den- oder diejenige zu: Ist es Arbeitsunwilligkeit, Abschiedsschmerz oder eine schlechte Phase?
Wie groß erleben Sie denn da die Unsicherheit bei den Chefs in den Betrieben?
Steigner: Pauschal lässt sich das nicht beantworten, aber ich habe den Eindruck, je größer die Firma ist, umso mehr Strategien sind bereits festgelegt. Vielleicht sind auch zusammen mit dem Betriebsrat Betriebsvereinbarungen getroffen worden, wie mit so einem Fall möglichst umgegangen werden könnte. Allerdings steht das dann meist nur auf dem Papier. Uns geht’s darum, die Personen dafür zu sensibilisieren, wie sie handeln können.
"In einer Gedenkecke können die Kolleginnen und Kollegen gedenken, auch wenn der Alltag wieder einrückt."
Wie trauern wir mit der Belegschaft? Können wir einen Traueraltar einrichten? Können wir ein Kreuz aufstellen, wenn die Hälfte der Belegschaft muslimischen Glaubens ist? Da kommen manche Chefs schon an Grenzen, weil sie auf Kennzahlen geeicht sind und darauf, dass der Laden läuft. Aber genau das tut der Betrieb dann gerade nicht mehr. Es kann sogar sein, dass der Chef selbst persönlich betroffen ist, also selbst Traurigkeit verspürt. Ich denke, es ist wichtig, auf solche Gratwanderungen vorbereitet zu sein und sich schon mal Gedanken gemacht zu haben.
Aber dem Thema können sich doch die Chefs und Chefinnen nicht allein annehmen. Die sind ja vielleicht auch mal im Urlaub, wenn etwas passiert.
Steigner: Wenn sich mehrere Abteilungen mit dem ganzen Thema auseinandersetzen und am besten noch einen Laufzettel machen oder einen Koffer vorbereitet haben, in dem eine Kerze drin ist oder ein Bilderrahmen und ein schwarzes Kondolenzbuch, ist das gut. Man weiß, ein Griff und man kann eine Gedenkecke gestalten, also der Trauer einen Ort geben. So können die Kolleginnen und Kollegen gedenken, auch wenn der Alltag wieder einrückt.
Gibt es weitere sensible Themen, die nicht jeder Betriebsleiter auf dem Schirm hat?
Steigner: Wer räumt eigentlich den Spind oder den Schreibtisch eines verstorbenen Mitarbeiters aus? Das kann man ja nicht den Lehrling machen lassen. Also, das muss der Chef machen. Und was ist mit dem Nachruf oder der Todesanzeige und dem Nachruf am Grab? Wer macht da was? Geht der Betrieb geschlossen zur Beerdigung und wer spricht dort? Immer, das ist mein Tipp, sollten Sie mit den Angehörigen reden. Was sie möchten, das ist gesetzt.
Seit wann gibt es die Seminarreihe "Tod und Trauer im Betrieb"?
Steigner: Wir haben das dieses Jahr zum ersten Mal aufgelegt. Es kommen Führungskräfte, für die es gut ist, sich zu sensibilisieren und ein bisschen emotionales Handwerkszeug an die Hand zu bekommen. Schließlich entsteht bei dem Seminar eine kleine To-do-Liste: Das und das sollte ich mit ein paar Leuten besprechen und Beauftragungen vornehmen: Kann ja sein, dass der Chef auf Mallorca am Strand auf seinem Badehandtuch liegt. Er kann dann nicht den Umgang mit einem Trauerfall aus der Ferne in Auftrag geben, die Information der Belegschaft, damit keine Gerüchte aufkommen, der Umgang mit den Mitarbeitenden im Homeoffice. Das ist beim Umgang mit Trauer ein Riesenthema.