"Das heißt nicht, dass die alten weißen Männer alles richtig gemacht haben", sagt der Gießener Soziologe und Theologe Reimer Gronemeyer im Interview mit dem in Stuttgart erscheinenden Evangelischen Gemeindeblatt für Württemberg (Ausgabe vom 29. Juni). "Aber eine Gesellschaft, die das, was alt ist, diffamiert, beschneidet auch ihre Wurzeln."
Die Kenntnisse und Erfahrungen der Alten seien auch für die Jungen wichtig, sagt er. Laut Gronemeyer wird der Generationenkonflikt durch die Sprache geschürt. "Wenn die Jungen sagen, die Alten haben die Klimakatastrophe verursacht, und die Alten über die Jungen sagen, sie seien zu faul, um zu arbeiten, haben wir einen Generationenkonflikt verursacht."
Es könne nur Heilung geben, wenn man über alle Gräben hinweg ins Gespräch komme. Der Wissenschaftler kritisiert zudem, dass eine wachsende Zahl der Alten vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werde. Man könne heute quasi kein Bahnticket mehr lösen, wenn man es nicht online und per Smartphone bestellt, es gebe nur noch wenige öffentliche Ticketcenter.
Ältere Menschen werden diskriminiert
"Es herrscht ein Modernisierungszwang vor, und wer den nicht mitmachen kann, ist außen vor." Es müsse aber auch einen Schutz für diejenigen geben, die damit überfordert oder nicht so vertraut seien. Zugleich warnt der emeritierte Professor für Soziologie ältere Menschen davor, in die Opferrolle zu verfallen. "Wir müssen aufhören zu jammern und raus aus der Haltung, uns als hilfebedürftiges Mängelwesen zu verstehen."
Das Alter habe auch unglaublich schöne Seiten, mit einer Empfindungstiefe und einer besonderen Erfahrung. Diese gelte es, wahrzunehmen und zu verteidigen. Außerdem regt Gronemeyer an, über Alternativen zum Altenheim nachzudenken.
Er schlägt vor, beispielsweise neue Formen des Wohnens in Betracht zu ziehen, bei denen mehrere Generationen miteinander leben. "Denn in zehn oder 15 Jahren wird das Pflegesystem zusammenbrechen. Wir müssen Lösungen finden, die geldunabhängig sind." Sonst bestehe die Gefahr, dass vor allem demente Menschen der Vernachlässigung ausgeliefert seien.