Ausgeschlossen und diskriminiert

12 Euro liegen in der Hand einer Reinigungskraft, auf einem rosa Putzhandschuh.
epd-bild/Heike Lyding
Was, wenn das Geld nicht zum Leben reicht? Arme Menschen fühlen sich oft ausgeschlossen.
Armut in Deutschland
Ausgeschlossen und diskriminiert
Der Entwurf für den neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt: Wer in Deutschland wenig Geld hat, fühlt sich oft ausgeschlossen und schlecht behandelt. Das Vermögen bleibt hierzulande weiterhin sehr ungleich verteilt.

Schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt, Stress mit dem Amt, ein Gefühl des Ausgeschlossenseins: Arme Menschen kämpfen oft mit viel mehr Problemen als nur einem schmalen Geldbeutel.

Das ist ein Ergebnis von Befragungen für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, dessen Entwurf das Bundessozialministerium am Donnerstag in Berlin veröffentlichte. Der Paritätische Gesamtverband forderte die Regierung auf, "endlich ernsthafte Maßnahmen zur Umverteilung und Reduzierung von Ungleichheit" zu ergreifen.

Der Armuts- und Reichtumsbericht wird üblicherweise in jeder Legislaturperiode einmal vorgelegt. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl kam es unter der Ampel-Koalition nicht mehr dazu. Die Vorarbeiten für den nunmehr siebten Bericht dieser Art wurden aber größtenteils in der vorherigen Wahlperiode geleistet.

Ein Ziel war, die Perspektive armer Menschen stärker einzubeziehen. Dies geschah unter anderem mit Online-Befragungen und Diskussionsrunden.
Zu den Ergebnissen heißt es im Berichtsentwurf, dass Armut "weit überwiegend als ein über rein materielle Aspekte hinausgehender sozialer Ausschluss erlebt wird". Auch wenn die Befragungen mit mehreren tausend Beteiligten nicht repräsentativ seien, wiesen sie auf ein "vergleichsweise gering ausgeprägtes gesellschaftliches Zugehörigkeitsempfinden" hin. 40 Prozent der Befragten "mit aktueller Armutserfahrung" fühlen sich demnach der Gesellschaft eher nicht zugehörig, weitere 40 Prozent tun dies nur "teils teils".

Viele Befragte berichteten dem Entwurf zufolge außerdem von gesundheitlichen Problemen. Auch Diskriminierung wurde von 83 Prozent der Menschen mit Armutserfahrung beklagt - vor allem beim Thema Wohnen. Oft genannt wurden hier zudem Schwierigkeiten mit Ämtern und Behörden.

Als großes Problem werden in dem Berichtsentwurf die Wohnkosten identifiziert. Dort sei die Belastung in den vergangenen Jahren gestiegen. Im Mittel würden 18,7 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens für Wohnkosten ausgegeben. "Knapp jeder achte Haushalt gilt als überlastet, da er mehr als 40 Prozent des Einkommens für das Wohnen aufwenden musste", heißt es weiter. Unter den armen Haushalten seien 37,5 Prozent betroffen, also deutlich mehr als ein Drittel.

 

Insgesamt gelten nach Daten des Statistischen Bundesamts 15,5 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet. Dies trifft auf Menschen zu, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Im Berichtsentwurf wird darauf hingewiesen, dass es hier verschiedene Berechnungsmethoden gebe, die zum Teil zu höheren Quoten führten. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, sprach am Donnerstag von Armut als "Massenphänomen".

Das Vermögen in Deutschland ist laut dem Berichtsentwurf "insgesamt sehr ungleich verteilt". Die zehn Prozent der vermögendsten Haushalte besäßen 54 Prozent des gesamten Nettovermögens, auf die untere Hälfte der Haushalte entfielen hingegen nur etwa drei Prozent. "Diese soziale Spaltung ist Sprengstoff für unsere Demokratie", erklärte Rock. Der Paritätische forderte unter anderem "die stärkere Beteiligung von Superreichen an der Finanzierung des Gemeinwesens", eine "armutsfeste Grundsicherung" und umfangreiche Investitionen in den sozialen Wohnungsbau.

Der Berichtsentwurf soll am 13. Oktober bei einem Symposium diskutiert werden. "Hinweise und Anregungen werden anschließend im Ressortkreis geprüft", teilte das Sozialministerium mit. Der "abgestimmte Endbericht" werde voraussichtlich im Dezember vom Kabinett verabschiedet.