Die Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Deutschland, Katharina Thote, sieht in einer harten Asylpolitik keine Erfolgsgarantie für weniger Migration. Die Konsequenzen der aktuell restriktiven Flüchtlingspolitik würden in Europa zu wenig beachtet, sagte Thote am Montag in Berlin. Ziel der aktuellen Politik sei eine bessere Steuerung der globalen Migration. Sie befürchte aber, dass die Maßnahmen "zu mehr Instabilität und mehr ungesteuerter Migration" führen, sagte Thote.
Die UNHCR-Vertreterin verwies dabei unter anderem auf die drastischen Kürzungen bei der humanitären und der Entwicklungshilfe. Schon jetzt kosteten die Einsparungen Menschenleben, es gebe Engpässe bei Lebensmitteln, medizinischer Versorgung, Schutz- und Schulprogrammen. Fehlende Perspektiven lösten neue Migrationsbewegungen aus, sagte sie.
Signalwirkung auf andere Länder
Die UNHCR-Vertreterin sieht insbesondere in Deutschland eine besondere Verantwortung für den Flüchtlingsschutz. Das Land sei eines der größten Aufnahmeländer und größten Geber. Die doppelte Rolle verleihe der deutschen Flüchtlingspolitik "internationale Strahlkraft", sagte Thote. Wenn Deutschland seine Türen schließe, habe das eine Signalwirkung auf andere Länder. Das gelte auch für ein mögliches Aussetzen des Resettlement-Programms, über das in Kooperation mit dem UNHCR besonders schutzbedürftige Flüchtlinge gezielt nach Deutschland geholt werden. "Wenn Deutschland sich zurückzieht, könnten andere folgen", sagte Thote.
Thote hielt die Eröffnungsrede beim traditionellen Symposium zum Flüchtlingsschutz, das die Kirchen jährlich gemeinsam mit Sozialverbänden und Nichtregierungsorganisationen in der Evangelischen Akademie zu Berlin organisieren. Deren Direktorin Friederike Krippner sagte, das Ziel einer menschenrechtskonformen Asylpolitik sei "gerade nicht besonders populär bei vielen Menschen". Seit 25 Jahren trete das Symposium für die Achtung der Rechte Schutzsuchender ein.
Diskutiert wurde bei der Veranstaltung über die Asylpolitik der neuen Bundesregierung. Deren Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte sehr früh die Zurückweisung Schutzsuchender an der Grenze forciert und eine Regelung zum Aussetzen des Familiennachzugs für eine bestimmte Gruppe von Menschen auf den Weg gebracht. Die Zurückweisungen wurden zwischenzeitlich vom Berliner Verwaltungsgericht als unrechtmäßig beurteilt, weil sie Europarecht widersprechen.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Karl Kopp kritisierte, dass Dobrindts Weisung dennoch weiter gilt. Wenn bei Maßnahmen der Rechtsbruch eingepreist werde, gebe es nicht eine Flüchtlingskrise, sondern eine Demokratie- und Rechtsstaatskrise, sagte er.
Der Sprecher der Organisation "Asylkoordination Österreich", Lukas Gahleitner-Gertz, berichtete, dass auch in seinem Land eine Aussetzung des Familiennachzugs wahrscheinlich sei. Es werde überlegt, wegen der Zahlen einen Notstand zu erklären. "Dabei gibt es nichts Planbareres als den Familiennachzug", sagte Gahleitner-Gertz. Er beobachte, dass auch in seinem Land beim Flüchtlingsschutz die Grenzen des rechtlich Zulässigen "ausgelotet werden".