Vom Aufbewahrungsort für Wasserleichen bis hin zum Frühstücksraum – die alte Leichenhalle auf dem Friedhof in Frankfurt-Fechenheim diente vielen Zwecken. Und stand dann lange leer. In und um das Gebäude mit den klassizistischen Rundbögen, Baujahr 1846, umgeben von alten hochgewachsenen Bäumen, herrscht eine besondere Atmosphäre. Sabine Lauer vom Kunst- und Kulturverein PolymerFM spürt sie, als sie zu Corona-Zeiten hier spazieren geht. Und auch das Potential, das dieser Ort hat.
Sie entwickelt das Nutzungskonzept für einen "Kulturpavillon", und seit 2021 gibt es hier nun sechs Ausstellungen im Jahr, begleitet von Konzerten und Lesungen, die vor der Tür im Freien stattfinden. Bei schlechtem Wetter kann der Verein die neue Trauerhalle als Ausweichquartier nutzen. "Das Angebot wird gut angenommen", sagt Lauer. Friedhofsnutzung und Kulturveranstaltungen am selben Ort, das funktioniert nach klaren Regeln: "Bei Beerdigungen gibt es keine Öffnungszeiten", sagt die Vereinsvorsitzende und betont: "In erster Linie ist und bleibt es ein Friedhof."
Viele Kreative sind von dieser besonderen Location angezogen. Aktuell zeigt der Frankfurter Fotokünstler Markus Elsner eine Auswahl seiner Werke. Sein Ausgangsmaterial sind SX-Polaroid-Fotos, die er noch während der kurzen Entwicklungszeit mechanisch bearbeitet. So entstehen eindrückliche Bilder, die Grenzbereiche von Fotografie, Malerei und Grafik ausloten. Der Künstler begibt sich in eigenen Worten auf die Suche nach der "Magie des Moments", nach "Bildwelten jenseits möglichst realer Abbilder".
Zur Fotografie kommt Elsner während eines Zeitungsvolontariats in den 70er Jahren. "Da hab ich sofort Blut geleckt", erinnert er sich. Bei vielen Reisen und auch im Alltag ist die Sofortbild-Kamera immer griffbereit. So entsteht ein umfangreicher Materialfundus, der die Grundlage seiner künstlerischen Arbeit bildet. Lange Jahre arbeitete Elsner als Journalist, für verschiedene Tageszeitungen, die Deutsche Presseagentur und zuletzt auch als freier Redakteur für evangelisch.de. Die Kunst entwickelt sich parallel zu einem zweiten beruflichen Standbein.
Der Austausch mit dem Publikum ist wichtig
"Mächtig Still" – der Titel der Ausstellung trifft den Charakter der Arbeiten von Markus Elsner. Seine Bilder kommen nicht laut und plakativ daher. Sie verleiten zum zweiten Blick, Mensch muss genau hinsehen, um im Spiel von intensiven Farben, konkreten Motiven und Abstraktion die tieferen Schichten der Werke zu erkunden. Das braucht Zeit, Ruhe und Konzentration. Die dichte Hängung in den beiden Räumen auf dem Fechenheimer Friedhof wird den nötigen Fokus fördern. Und auch den Austausch, der dem Künstler ebenso wichtig ist.
"Ich verstehe mich als Geschichtenerzähler", sagt Elsner. Die mit einzelnen Bildern verbundenen Geschichten – etwa die atmosphärische Friedhofsmotive aus Halle oder das unter den Argusaugen der Soldaten entstandene Foto am Moskauer Lenin-Mausoleum – teilt er gerne im Gespräch, interessiert sich aber auch für die Gedanken der Betrachter:innen. Sabine Lauer und Elsner lernten sich über eine befreundete Künstlerin kennen. Die Vereinschefin und Kuratorin ist von seinen Arbeiten schnell angetan, der Termin für die Ausstellung wird fixiert.
"Vor allem die Großformate haben mich begeistert", sagt Lauer. Die brächten noch einmal ganz neue Aspekte zum Vorschein. In Fechenheim sind einige Motive in verschiedenen Größen zu sehen, sodass Besucher:innen diesen Effekt selbst erleben können. Die größeren Formate kommen am zweiten Ausstellungsort, dem ehemaligen Hochbunker, der seit einiger Zeit vom Verein ebenfalls genutzt wird, noch besser zur Geltung. Dort hängen die Bilder in den Schaufenstern einer Ladengalerie.
Eine neue Seite seines Schaffens zeigt Elsner in zwei Serien, die Fotos mit Texten kombinieren. Unter den Titeln "Dagobert T.‘s wundersamer Blick auf die Welt der Farben" und "Über das Streben nach Macht – Traum(a) eines Möchtegern-Spions" nimmt er das Herrschafts- und Machtgebahren in der aktuellen Weltpolitik unter die Lupe. "Als Journalist habe ich immer politisch gedacht", sagt Elsner. In der aktuellen Situation der Krisen und Zuspitzungen "drängt es mich, dem auch einen künstlerischen Kanal zu öffnen".
"Ein neuer, interessanter Blick", findet auch Lauer. Kunst könne sich nicht heraushalten aus politischen und gesellschaftlichen Debatten, sondern müsse mit ihren Mitteln wirken. Auch sie und PolymerFM setzen auf Dialog. Mit den vor allem jugendlichen Teilnehmenden an zahlreichen Kreativ-Workshops. Mit Kooperationspartnern, unter ihnen auch die Evangelische Kirchengemeinde. Und eben mit dem Publikum. "Wichtig ist, dass die Menschen aufmachen und Impulse zum Weiterdenken bekommen."
Die Ausstellung "Mächtig Still" läuft noch bis zum 13.07.25 im Kulturpavillon Friedhof Fechenheim. Weitere Werke von Markus Elsner sind in der Schaufenster-Galerie im ehemaligen Hochbunker in der Gründenseestr. 6 zu sehen.