Mehr als 100 Delegierte des Kirchenparlamentes warten gespannt auf ihren Auftritt. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so ruhig ist es, als Maria Esfandiari an das Mikrofon tritt, um sich als Kandidatin für das Amt der Präses der Bremischen Evangelischen Kirche vorzustellen. Ob sie Lampenfieber hatte?
"Ganz schlimm", erinnert sich die Medienfachfrau und Projektmanagerin an die Wahl vor ein paar Wochen, jetzt mit einem Lachen. Denn die Szene endet mit einem großen Vertrauensbeweis: Mehr als 88 Prozent der Delegierten bestimmen die 32-Jährige zur ehrenamtlichen höchsten Repräsentantin der Landeskirche. Am kommenden Freitag (20. Juni) wird sie im Bremer Dom in ihr Amt eingeführt.
Jung, weiblich und mit persischen Wurzeln: In dieser Kombination gibt es keine zweite Repräsentantin an der Spitze einer der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Und nur wenige, die so offen mit Emotionen umgehen. Auch im Zusammenhang mit der Wahl. "Oh mein Gott, bloß weg hier", schildert Maria Esfandiari ihre Gefühle, als sie das erste Mal gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könnte, als Präses zu kandidieren. Das habe ihr Angst gemacht. "Und ehrlich gesagt: das tut es immer noch ein bisschen."
So große Fußstapfen, so viel Verantwortung, wenn sie demnächst eines der führenden Gesichter der Kirche mit 50 Gemeinden und 150.000 Mitgliedern ist, wenn sie dem kirchenleitenden Gremium und der Synode vorsitzt - das waren Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen. Maria Esfandiari löst Edda Bosse ab, die rund zwölf Jahre das Amt der Präsidentin, das künftig Präses heißt, mit Kompetenz, Lebenserfahrung und diplomatischem Geschick ausgefüllt hat.
"Die Zeiten mögen schwierig sein. Aber viele Menschen geben die Hoffnung nicht auf"
Nun, mit 72 Jahren, macht sie den Platz frei für einen Generationenwechsel.
Und das in einer Situation, die angesichts sinkender Mitgliederzahlen und weniger Geld nicht einfach ist. Edda Bosse sagt über die Leitlinie ihrer ehrenamtlichen Arbeit: "Die Zeiten mögen schwierig sein. Aber viele Menschen geben die Hoffnung nicht auf. Mit ihrer Zuversicht machen sie das Leben für andere heller."
Das passt perfekt auch zu ihrer Nachfolgerin, von der Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter sagen, sie sei eine, die anpacken könne, mit Zuversicht. Die da sei, wenn sie gebraucht werde. So hat sich Maria Esfandiari, in Bonn geboren, schon über Jahre in der Evangelischen Studierendengemeinde engagiert. Getauft wurde sie katholisch, ist in der katholischen Kirche aufgewachsen, mittlerweile aber zur evangelischen Kirche konvertiert, in Bremen Mitglied der liberalen Remberti-Gemeinde.
"Ich will zeigen, dass unsere Kirche für Zusammenhalt steht, Nächstenliebe, interkulturellen und interreligiösen Dialog, offen für Jung und Alt ist"
Sie wolle Menschen zum Mitmachen begeistern, sagt die Frau, die sich 2017 zusammen mit Bremens ehemaligem Bürgermeister Jens Böhrnsen für das 500-jährige Reformationsjubiläum engagiert hatte. Damals ging es dem Duo um die Freiheitswerte, die durch die Reformation begründet wurden und die die Gesellschaft prägen, bis heute. Das bewegt Maria Esfandiari nach wie vor. "Es geschieht", sagt sie, "so viel Spaltung, Ausgrenzung, Hetze. Ich will zeigen, dass unsere Kirche für die Gegenbewegung einsteht - für Zusammenhalt, Nächstenliebe, interkulturellen und interreligiösen Dialog, offen für Jung und Alt". In der Offenheit und Liebe zu anderen habe sie Sinn erfahren: "Und das möchte ich weitergeben."
Das gelingt ihr offenbar schon in ersten Auftritten noch vor ihrer offiziellen Einführung. Pastor Stephan Kreutz, Seelsorger an der Liebfrauenkirche in der Innenstadt, hat die Präses bereits als Reformationsbotschafterin kennengelernt und erst kürzlich im Gottesdienst neu erlebt. Er sagt, sie gehe mit großer Offenheit auf die Menschen zu. "Sie steht mitten im Leben, mit Herz, Hand, Kopf und einem Lachen. Sie ist eine Brückenbauerin, kann Menschen ins Gespräch bringen - eine starke Frau." Zwei Worte bringen es für ihn auf den Punkt: "Maria mittendrin."
Das Mittendrin sieht Maria Esfandiari vor allem in der Gemeinschaft, die sie auch an der Musik in einer Band schätzt, die in ihrer Freizeit eine wichtige Rolle spielt. "Ich habe mit sechs Jahren beschlossen, Geige zu spielen", erzählt sie. Musik mache für sie zusammen am meisten Spaß. "Ich wollte das nie alleine für mich machen", bekräftigt sie und ergänzt, was ihr auch mit Blick auf ihr Amt als Präses wichtig ist: "Gemeinsam die Aufgaben lösen - das Verbindende treibt mich an."
Maria Esfandiari wird am kommenden Freitag, 20. Juni, zusammen mit anderen Mitgliedern der Kirchenleitung in einem Gottesdienst im St. Petri Dom in ihr Amt als neue Präses der Bremischen Evangelischen Kirche eingeführt. Der Gottesdienst beginnt um 17 Uhr.