TV-Tipp: "Stralsund: Blutgeld"

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10. Mai, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Stralsund: Blutgeld"
"Stralsund – Blutgeld" erzählt eine packende Krimigeschichte um Mord, Macht und Verrat – und erinnert dabei an den berühmten Satz: Die Revolution frisst ihre Kinder. In einem Geflecht aus Liebe, Loyalität und Korruption geraten junge Idealisten und alte Strippenzieher an ihre Grenzen. Ein düsterer, gut gespielter Film, der weit mehr ist als bloß ein Krimi.

Weil ihn dereinst laut Prophezeiung der eigene Sohn stürzen werde, hat Saturn seine eigenen Kinder ermordet und verzehrt, nachdem er zuvor die Macht an sich gerissen hatte. Ähnlich wie dem Nachwuchs des antiken Gottes erging es vor gut 230 Jahren auch dem französischen Revolutionär Pierre Vergniaud, der auf dem Weg zum Schaffott eine bittere Erkenntnis formulierte. "Die Revolution ist wie Saturn: Sie frisst ihre eigenen Kinder". Georg Büchner sorgte mit seinem Revolutionsdrama "Dantons Tod" rund dreißig Jahre später dafür, dass Vergniauds Ausspruch seither als eins der berühmtesten politischen Zitate überhaupt gilt.

Der Bezug zu einer Gegenwartsgeschichte aus Stralsund mag etwas weit hergeholt wirken, zumal sich die Handlung um organisierte Kriminalität dreht und zudem eine "Romeo und Julia"-Geschichte erzählt, aber nach einer Weile werden die Parallelen sichtbar. Zunächst gilt es jedoch, einen Mord aufzuklären: Ein junger Steuerberater ist von seinem Balkon gestürzt; es war kein Unfall, wie sich rasch zeigt. Kurz vor seinem Tod in den ganz frühen Morgenstunden hat Devid Armgott mit zwei Personen telefoniert. Die eine war sein Chef beim Finanzamt, aber Raimund Morel (Stephan A. Tölle), aus dem Schlaf gerissen, kann sich bloß noch daran erinnern kann, dass sein Mitarbeiter von "einer großen Sache" sprach. Das andere Telefonat hat Devid zuvor mit Alfie (Maja Bons) geführt. Die junge Frau war am Tatort, wie die Kippen ihrer seltenen Zigarettenmarke belegen. Sie gilt daher als dringend tatverdächtig, schwebt aber auch in großer Gefahr, denn ihr Rucksack enthält die Beweise für besagte "große Sache"; und jetzt wird’s interessant.

Damit seine Kollegin Jule Zabek (Sophie Pfennigstorf) und der polnische Gastkommissar Tomasz Nowak (Jakub Gierszal) die Dimensionen des Falls verstehen, muss Kripochef Hidde (Alexander Held) etwas ausholen: Um den Ausverkauf ihres Viertels an westdeutsche Spekulanten zu verhindern, sind einige Einheimische, die "Knieper Jungschen", in den Neunzigerjahren selbst aktiv geworden. Die Gruppe rund um Matthias Busch (Dirk Borchardt) hat zwar in einer Grauzone agiert, aber illegal waren ihre Geschäfte nicht. Im Lauf der Zeit ist Buschs Einfluss immer größer geworden. Gerade in letzter Zeit hat er zudem einige bar bezahlte Immobilien weit jenseits seiner Kragenweite erworben. Auf diese Geschäfte bezieht sich der Titel, "Blutgeld": Die "Jungschen" bedienen sich mittlerweile der gleichen Mittel wie Jene, die sie einst bekämpft haben; finstere Mächte im Hintergrund sind bereit, über Leichen zu gehen, um die eigene Mitwirkung zu vertuschen.

All’ das fließt jedoch angenehm beiläufig ein, denn im Vordergrund des Drehbuchs von Martin Behnke und Marc Zwinz steht die Liebe zwischen Buschs Sohn Tim (Julius Nitschkoff), designierter Erbe des Imperiums, und Alfie, die eigentlich Alfhild von Stenz heißt, sich aber von ihrer schwerreichen Rügener Familie losgesagt hat. Sie kennt sich mit Buchhaltung aus, wollte Tim helfen, hat dann jedoch den schon seit langem in sie verliebten Devid um Hilfe gebeten und den Stein damit ins Rollen gebracht. Nun treibt eine Killerin ihr Unwesen in der Stadt, die Polizei prallt gegen eine Mauer des Schweigens, und für Tim gibt es nur eine Chance, diesem Schlamassel zu entkommen: Er muss sich als Kronzeuge zur Verfügung stellen und gegen die "Knieper Jungschen" aussagen. Die Gruppe betrachtet sich jedoch als Familie und hält bis hin zur Opferbereitschaft fest zusammen. 

Für weitere Emotionalität jenseits dieses Handlungskerns sorgt ein etwas unnötiges Konkurrenzgebaren zwischen Jule Zabek und dem im Rahmen eines europäischen Austauschprogramms nach Stralsund versetzten Nowak, der zudem eine ähnlich kurze Zündschnur hat wie die Jugendlichen, auf die er in der Ausbildungsküche des Busch-Lokals "Zappelfisch" trifft. Hier zeigt sich die helle Seite der Familie: Sie gibt Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen ihnen eine Chance, die sie sonst niemals hätten. Hier wird für diverse Einrichtungen gekocht, auch für die Kantine des Präsidiums, weshalb sich das junge Personal einträchtig um den Topf versammelt und der Polizei nicht bloß im übertragenen Sinn herzhaft in die Suppe spuckt. Nicht nur wegen dieser Szene hat Regisseur Štěpán Altrichter das Milieu in seinem ersten "Stralsund"-Krimi ziemlich gut getroffen, zumal die zwei wichtigsten dieser Rollen mit Gustav Schmidt und Caro Cult ausgezeichnet besetzt sind. Die Inszenierung ist insgesamt eher unauffällig, aber das Ensemble ist sehenswert und die Bildgestaltung (Manuel Mack) sorgfältig.