TV-Tipp: "Mord auf dem Inka-Pfad"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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ARD, 1. Mai, 20.15:
TV-Tipp: "Mord auf dem Inka-Pfad"
Unter anderen Umständen wären die Ereignisse wohl längst in Vergessenheit geraten. Womöglich wäre es ohnehin nie zu einer Anklage gekommen, wenn eine Kommissarin nicht auf ihr Gespür vertraut hätte; so erzählt es zumindest die vierteilige Miniserie "Mord auf dem Inka-Pfad".

Der Fall hat für Schlagzeilen gesorgt, weil er die bis dahin umfangreichsten Mordermittlungen der Münchener Kriminalgeschichte auslöste: Im Jahr 2000 ist ein komplettes Team inklusive Richter und Staatsanwältin zur Rekonstruktion einer Tat nach Peru gereist. Dort ist die aus München stammende Ursula Glück 1997 bei einer Anden-Wanderung in den Kopf geschossen worden. Laut Aussage des Ehemanns Jona Kepler haben Räuber das Paar nachts im Zelt überfallen. 

Auf Basis unter anderem des ausführlichen Gerichtsurteils und eigener Recherchen hat Rolf Basedow ein Drehbuch geschrieben, das sich größtenteils an die Fakten hält: In München wird Kepler (Thomas Prenn) als Zeuge befragt. Im Gegensatz zu ihrem Partner (Florian Karlheim) ist Rita Berg (Nina Gummich) überzeugt, dass er lügt. Doch der Mann ist Israeli, eine Untersuchungshaft oder gar eine Anklage würden umgehend internationales Aufsehen erregen; erst recht, wenn die einzige Begründung Bergs Bauchgefühl ist.

Trotzdem gelingt es ihr, den Leiter (Juergen Maurer) der Mordkommission davon zu überzeugen, ihr gleich mehrere Dienstreisen ins Ausland zu gewähren. Das Ehepaar hat zuletzt in New York gelebt. Von einem dortigen Kollegen bekommt Berg den Hinweis auf ein äußerst lukratives Tatmotiv: Anders als von Kepler behauptet hat er für Ursula (Amelie Kiefer) mehr als bloß eine Lebensversicherung abgeschlossen. Eine Million Dollar trösten ihn über seinen Verlust hinweg; das erklärt, warum sich der vermeintlich trauernde Witwer auf eine Weltreise unter anderem nach Australien und auf die Bahamas begeben konnte. 

Herzstück der vier Episoden sind die Szenen im Polizeipräsidium. In der zweiten Fragerunde wird Kepler nicht mehr als Zeuge, sondern als Beschuldigter vernommen. Bei der Inszenierung hat Regisseurin Nina Wolfrum, die Basedows Vorlage gemeinsam mit Mika Kallwass zur Miniserie konfektioniert hat, wohlweislich auf jedwedes Detail verzichtet, das Kepler entlarven könnte.

Thomas Prenns selbstsicheres Spiel lässt ohnehin nicht erahnen, ob die ganze Geschichte, wie Berg dem US-Kollegen versichert, "Bullshit" ist. Fast verzweifelt schaut die Kamera zwischendurch mehrfach auf Keplers Hände, als erwarte sie ein Anzeichen von Nervosität. Einzig Bergs fragende Seitenblicke zum Kollegen deuten an, dass die Kommissarin schon früh an den Schilderungen zweifelt. Da Keplers Erzählungen durch entsprechende Reisebilder illustriert werden, gerät die Serie nie in Gefahr, zum Kammerspiel zu werden. Als Berg bei den Eltern des Israeli in Tel Aviv nicht nur die Videoaufnahmen vom Anden-Trip, sondern auch Ursulas Tagebücher beschlagnahmt, sorgt deren Lektüre für weitere Rückblenden in die gemeinsame Vergangenheit des Paars. Ähnlich wie in dem französischen Kinofilm "Anatomie eines Falls" (2023) geht es in den Vernehmungen mehr und mehr um die Frage, wie es um die Beziehung stand. In Peru stößt Berg auf einen ersten erheblichen Widerspruch in den Aussagen, als sie im deutschen Konsulat das auf Anweisung Keplers vermeintlich verbrannte Zelt des Ehepaars aufstöbert. 

Neben der bis auf wenige Ausnahmen im sachlichen "True Crime"-Stil umgesetzten Handlung ist auch die Bildgestaltung (Andreas Köhler) interessant, und das nicht nur wegen der zum Teil raffinierten Übergänge zwischen den Zeitebenen. Die Farben sind durchgehend fahl, viele Innenaufnahmen sind wie durch einen leicht sepia-grünen feinen Nebel gefilmt. Gelegentliche Zeitlupenmomente muten dagegen ebenso unmotiviert und entsprechend prätentiös an wie diverse Blicke direkt in die Kamera. Auch die Perspektive von oben auf die drei Befragungsbeteiligten ist irritierend, zumal ein derartiger Blickwinkel filmsprachlich Überlegenheit signalisiert. Solche kleinen Irritationen passen nicht recht zur Haltung der Serie, die über weite Strecken fast dokumentarisch wirkt; allerdings stören sie auch nicht weiter.

Uneingeschränkt sehenswert ist dagegen das Ensemble. Das gilt ausdrücklich auch für die Darsteller der Peruaner (namentlich Ruben Engel als Polizist), die zudem dankenswerterweise Spanisch oder Englisch mit starken Akzent sprechen dürfen; für Auslandsproduktionen mit Beteiligung der ARD-Tochter Degeto ist das keineswegs selbstverständlich. Dass die Dreharbeiten zu den internationalen Sequenzen allesamt in Südafrika stattgefunden haben, ist der Serie ebenfalls nicht anzumerken. Das "Erste" zeigt heute die Folgen drei und vier; die beiden ersten Episoden stehen wie die gesamte Miniserie in der ARD-Mediathek.