TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Funkensommer"

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26. MAI, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Funkensommer"
Der Handlungsrahmen erinnert an Ron Howards Feuerwehr-Thriller "Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen" (1991): Die Rolle von Robert De Niro als Brandermittler spielt in "Polizeiruf 110: Funkensommer" Golo Euler.

Als "warmen Abriss" bezeichnet der Volksmund das Abbrennen einer Immobilie. Meist dient die Brandstiftung dem Versicherungsbetrug, aber mitunter wird auf diese Weise auch verbotenerweise ein Gebäude eliminiert, um Platz für etwas Neues zu schaffen. Ein Kapitalverbrechen, ohnehin ein nur noch umgangssprachlich verwendeter Begriff, ist das allerdings nicht; es sei denn, bei dem Brand kommt versehentlich ein Mensch ums Leben. Für einen Sonntagskrimi klingt das trotzdem erst mal nicht weiter spannend, aber Grimme-Preisträger und "Unter Verdacht"-Schöpfer Alexander Adolph würde vermutlich selbst aus einer deutlich weniger aufregenden Geschichte einen fesselnden Film machen.

Wie clever sein Drehbuch zu "Funkensommer" konzipiert ist, zeigt sich jedoch erst später: weil er beim Auftakt, als Wachmann Busch (Gerhard Wittmann) auf das Feuer aufmerksam wird und hektisch zu retten versucht, was nicht mehr zu retten ist, ein entscheidendes Detail ausspart. Dass Busch neben dem Opfer die tragische Figur dieses zweiten "Polizeirufs" mit Johanna Wokalek ist, lässt sich in diesem Moment zwar noch nicht erahnen, aber wie der Mann mit einem vergleichsweise winzigen Feuerlöscher hilflos vor dem sich in seinen Brillengläsern spiegelnden flammenden Inferno steht, ist sehr berührend. 

Der Handlungsrahmen erinnert an Ron Howards Feuerwehr-Thriller "Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen" (1991): Ein Gasofen ist so geschickt manipuliert worden, dass es zu einer Rauchgasexplosion gekommen ist. Die Rolle von Robert De Niro als Brandermittler spielt hier Golo Euler: Brandschutzexperte Hanno Senoner ist überzeugt, dass das Feuer im schon lange leerstehenden Verwaltungsgebäude der bekannten Münchener Autovermietung Hechtle die Folge von Brandstiftung war; die Familie bemüht sich seit Jahren vergeblich um eine Abrissgenehmigung. Da inmitten von Schutt und Asche eine weibliche Leiche entdeckt wird, ist die Sache ein Fall für die Abteilung Tötungsdelikte.

Die Ermittlungen werden allerdings durch einen unvorhergesehenen emotionalen Nebenschauplatz erschwert: Senoner verliebt sich Hals über Kopf in Cris Blohm, und da die Kommissarin ebenfalls nicht abgeneigt ist, dürfte sich der poetische Titel vor allem auf sich anbahnenden Romanze beziehen. Die Funken springen sehr zum Ärger von Bohms Partner Eden (Stephan Zinner) jedenfalls ganz ordentlich hin und her: Der Kollege kann den Brandermittler nicht leiden, seit sie einst bei einem Lehrgang um dieselbe Frau buhlten.

Daraus hätte auch eine heitere Geschichte werden können, aber Adolph verliert den Krimi nie aus den Augen, weil seine Heldin aller Leidenschaft zum Trotz mit ihren Gedanken gleich nach dem Sex wieder bei dem Fall ist. Hinzu kommt, dass Senoner von den arroganten Hechtles geradezu besessen ist. Der cholerische Junior (Frederic Linkemann) hat es ihm besonders angetan: Sandro Hechtle hat Einiges auf dem Kerbholz, seinen Kopf aber immer aus der Schlinge ziehen können; die Reichen, resümiert Senoner verbittert, können sich eben alles erlauben. Trotzdem ist Cris Blohm die interessanteste Figur dieses Krimis, was auch und vor allem mit Wokalek zu tun hat.

Sie versieht die gern laut denkende Kommissarin mit einer Verhuschtheit, die prompt zur Folge hat, dass sie von der Gegenseite unterschätzt wird, und das gilt keineswegs nur für die Mitglieder der einflussreichen Familie (Marlene Morreis spielt die Chefin des Unternehmens). Blohm hat keine Skrupel, Menschen durch Lügen und falsche Versprechungen zur Kooperation oder gar zu einem Geständnis zu überreden. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang Jessica Kosmalla als darstellerisch sehr präsente Staatsanwältin, die die Ermittlerin zwar mag, ihre Methoden jedoch nicht billigt; selbst wenn Blohm die Ergebnisse Recht geben.

"Funkensommer" fasziniert jedoch nicht nur wegen Handlung und Figuren. Alexander Fischerkoesen, als Kameramann ähnlich renommiert wie Adolph, hat den Krimi wie durch einen zarten Schleier gefilmt, was zwar die Farben dämpft, aber die Lichtquellen besonders betont; "München leuchtet" bekommt auf diese Weise eine ganz neue Bedeutung. Sehr besonders ist auch die über weite Strecken bloß aus gezupfter Gitarre bestehende Musik, zumal die entspannten Klänge gerade zum Auftakt einen krassen Kontrast zur dramatischen Handlung bilden. Erst in der Rückblende, als sich die ganze Tragweite der Katastrophe und somit auch der Grund für die Panik des Wachmanns offenbaren, sorgen Adolphs Stammkomponisten Christoph Maria Kaiser und Julian Maas für die passende Thriller-Stimmung.