"Boris Pistorius ist kein Kriegsminister"

Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und Friedensbeauftragter der EKD, Friedrich Kramer
epd-bild/Heike Lyding
Ein Krieg sei schnell herbeigeredet, "und das ist verantwortungslos", kritisiert der Friedensbeauftragete der EKD, Friedrich Kramer, den Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Friedensbeauftragter Friedrich Kramer
"Boris Pistorius ist kein Kriegsminister"
Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, weist die Forderung von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zurück, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden.

"Ich halte diesen Begriff für grundfalsch, denn er macht nicht mehr deutlich, dass es um Verteidigung geht", heißt es in einem Gastbeitrag des mitteldeutschen Landesbischofs für die Beilage "Christ & Welt" der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" (Ausgabe zum Donnerstag): "Boris Pistorius ist kein Kriegsminister, sondern er ist Verteidigungsminister."

Ein Krieg sei schnell herbeigeredet, "und das ist verantwortungslos", fügte Kramer hinzu: "Hier erwarte ich von einem Verteidigungsminister, dass er seinem Amt gemäß von Verteidigungsfähigkeit spricht und nicht von Kriegstüchtigkeit." Man könne sicher darüber debattieren, "ob wir Milliarden für die Verteidigung ausgeben müssen", so Kramer: "In der Lage zu sein, sich verteidigen zu können, das ist nachvollziehbar. Aber 'kriegstüchtig' spricht nicht von einer Reaktion, sondern von einer Aktion, und dies hat kein Abschreckungs-, sondern ein Bedrohungspotenzial."

Bundesverteidigungsminister Pistorius hatte vor einer Kriegsgefahr durch Russland gewarnt und die Forderung erhoben, Deutschland müsse nun "kriegstüchtig" werden. Der russische Überfall auf die Ukraine habe die Friedensordnung weltweit erschüttert, räumte Kramer zugleich ein. Die Ukraine sei das Opfer eines aggressiven Okkupationskriegs. Daher "hat sie auf jeden Fall das Recht, sich militärisch zu verteidigen, und auch, sich Hilfe von Drittstaaten zu erbitten. Sie verdient die volle Solidarität." Ihr einen gewaltfreien Widerstand zu verordnen, "wäre vermessen".

In derselben Zeitung erklärte der katholische Militärbischof für die Bundeswehr, der Bischof von Essen Franz-Josef Overbeck: "Für mich ist es kein Widerspruch, sich für Abrüstung sowie gegen Gewaltanwendung auszusprechen und zugleich anzuerkennen, dass es materielle Grundvoraussetzungen braucht, um als Staat verteidigungsfähig zu sein und die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten zu können." Die Forderung nach "Kriegstüchtigkeit" stehe in einer Spannung zu wichtigen Grundorientierungen christlicher Friedensethik.

"Kriegstüchtigkeit" alleine jedoch, noch dazu auf materielle Aufrüstung verkürzt, werde ohne starke und vertrauensvolle Bündnisse, ohne "moralischen Kompass" politischen und militärischen Handelns, ohne weitreichende diplomatische Bemühungen und ohne die Ächtung jeder Form von ABC-Waffen keine nachhaltige Antwort auf die Herausforderungen und Bedrohungen nach der Zeitenwende sein, schreibt Overbeck in "Christ & Welt". Das Leitbild vom "gerechten Frieden" umfasse den Vorrang gewaltfreier Konfliktbewältigung, der Ursachenprävention sowie des Bemühens um Abrüstung und Rüstungskontrolle.