Verlässliche Finanzierung von Hilfen

Pastor Bernd Kuschnerus
© epd-bild/Hannes von der Fecht
Das derzeitige Modell der Kirchensteuer verteidigt der Theologe Bernd Kuschnerus. Für ihn sei das Geben, damit andere etwas davon haben ein Grundsatz kirchlicher Arbeit.
Theologe pro Kirchensteuer
Verlässliche Finanzierung von Hilfen
Der leitende Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche, Bernd Kuschnerus, sieht das deutsche Modell der Kirchensteuer als solidarisches Konzept der Finanzierung, das die Demokratie stärkt. "Geben, damit andere etwas davon haben - das ist der Grundsatz kirchlicher Arbeit, ganz nach dem biblischen Wort 'einer trage des anderen Last'", sagte Kuschnerus und warnte: "Das ist eine großartige kulturelle Leistung, die gefährdet wäre, wenn das Geld wegbricht."

Wenn es um die Kirchensteuer geht, machen viele Menschen mittlerweile eine schlichte Kosten-Nutzen-Rechnung auf unter der Frage: Bringt mir die Kirche persönlich etwas oder nicht? Doch die Kirchensteuer ist viel mehr als die finanzielle Grundlage einer Institution, meint Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst spricht er über skeptische Steuerzahler, Solidarität und das stärkende Element von Abgaben für die Demokratie.

epd: Herr Kuschnerus, die neueste bundesweite Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung dokumentiert große Skepsis der Befragten gegenüber der Kirchensteuer, die Zahl der Kirchenaustritte steigt. Wie sehen Sie die Zukunft der Kirchensteuer?

Bernd Kuschnerus: Das ist komplex. Studien des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland zeigen, dass die Kirchensteuer nicht alleine der Austrittsgrund ist. Es geht immer auch um andere Faktoren wie etwa eine Entfremdung von der Kirche oder eine zurückgehende Religiosität in der Gesellschaft ganz allgemein. Dann kommt die Kirchensteuer als gewichtiges Argument dazu. Letztlich gibt es bei vielen Menschen zunehmend eine Kosten-Nutzen-Erwägung nach dem Motto: Bringt mir die Kirche persönlich etwas oder nicht? In der Kirche gibt es ein Solidarprinzip. Das ist für mich ein wichtiges Kriterium mit Blick auf die Finanzen.

Sehen Sie einen Reformbedarf, etwa über einen ermäßigten Kirchensteuer-Satz für Berufseinsteiger?

Kuschnerus: Es macht auf jeden Fall Sinn, darüber nachzudenken, beispielsweise über eine Kappung der Kirchensteuer für junge Leute. Letztlich muss man aber genau schauen, was wirklich funktioniert und was nicht. Da gibt es Untersuchungen, die die Kirchensteuer als Stellschraube eher skeptisch sehen. Ohnehin muss man wissen: In Bremen etwa zahlen weniger als 50 Prozent der Mitglieder Kirchensteuern, aus sozialen Gründen.

Worauf kommt es dann an?

Kuschnerus: Ich glaube, dass die Kirche vor allem niedrigschwelliger werden muss. Wir brauchen beispielsweise eine neue Praxis lebensbegleitender Rituale wie Trauungen, Taufen und Bestattungen, näher dran an den Bedürfnissen der Menschen. Mir sind da die Tauffeste, die es im vergangenen Jahr nicht nur in Bremen, sondern bundesweit gegeben hat, in guter Erinnerung. Die evangelische Ritualagentur "St. Moment" in Hamburg ist ein weiteres Beispiel, wie es funktionieren könnte. Wir wollen in Bremen einen ähnlichen Weg gehen. Schließlich haben wir ja nicht den Auftrag, Gottes Segen zu verwalten, sondern seinen Segen zu verschenken - als Dienst an den Menschen. Sie sollen es leicht haben, Gottes Segen zu erfahren. Darum geht es am Ende.

Wie würde beispielsweise die Bremische Evangelische Kirche aussehen, wenn es die Kirchensteuer in der jetzt bekannten Form nicht mehr geben würde?

Kuschnerus: Sie hätte sehr viel weniger Personal und sehr viel weniger Gemeinden. Sie könnte ihre gesellschaftlichen und diakonischen Aufgaben nicht mehr wie bisher wahrnehmen. Und sie hätte Schwierigkeiten, das jetzt funktionierende Solidaritätsprinzip zwischen reicheren und ärmeren Gemeinden durchzuhalten. Geben, damit andere etwas davon haben - das ist der Grundsatz kirchlicher Arbeit, ganz nach dem biblischen Wort 'einer trage des anderen Last'.

"Das ist eine großartige kulturelle Leistung, die gefährdet wäre, wenn das Geld wegbricht."

Das ist eine großartige kulturelle Leistung, die gefährdet wäre, wenn das Geld wegbricht. Denn viele gemeinwesenorientierte Projekte in den Stadtteilen und den Quartieren, besonders da, wo ärmere Menschen wohnen, hängen von einer verlässlichen Finanzierung durch die Kirchensteuer ab: Konkrete Hilfen, angefangen beim warmen Essen bis hin zu Begegnungen mit Herzenswärme. Das stärkt die Menschen, das Gemeinwesen - und letztlich unsere Demokratie.

Was halten Sie als Alternative zur Kirchensteuer von einer durch die öffentliche Hand erhobene Kultursteuer nach italienischem Vorbild? Dabei müssen alle Bürgerinnen und Bürger eine Steuer zahlen, können sich aber aussuchen, ob ihr Geld an eine Religionsgemeinschaft oder eine soziale Organisation fließt.

Kuschnerus: Das wäre eine Staatsleistung. Ich sehe nicht, dass eine solche Kultursteuer in Deutschland eine realistische Chance hätte. Wir haben hier eher die Tendenz, Staat und Kirche noch weiter voneinander zu trennen. Dazu käme ein Einbruch der Steuereinnahmen. In der Bremischen Evangelischen Kirche zum Beispiel haben wir derzeit ein Kirchensteuer-Volumen von 60 Millionen Euro im Haushalt, dann wären es vielleicht noch 6 Millionen Euro. Die Kirche kann aber viele ihrer seelsorgenden und sozialdiakonischen Leistungen nur erbringen, weil sie die dafür notwendige Infrastruktur vorhält. Die wäre dann aber gar nicht mehr zu finanzieren.