DDR-Seelsorger spitzelte 30 Jahre für Stasi

Aufnäher eines Beamten der Justiz mit Brandenburger Adler
© Soeren Stache/dpa
Nach der Wiedervereinigung wurde der DDR-Gefängnis-Seelsorger Eckhart Giebeler als Gefängnisseelsorger beim Justizministerium Brandenburg angestellt. (Symbolbild)
Kirche kündigt Aufklärung an
DDR-Seelsorger spitzelte 30 Jahre für Stasi
"Zutiefst erschreckend", bezeichnet die Landeskirche Berlin-Brandenburg Oberlausitz den Verrat des Beichtgeheimnisses des DDR-Gefängnis-Seelsorgers Eckhart Giebeler. Sein Missbrauch soll nun aufgearbeitet werden.

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) hat an Versäumnisse im Umgang mit einem ehemaligen DDR-Gefängnisseelsorger und Stasi-Mitarbeiter erinnert. Im Rahmen eines Gottesdiensts wurde in Berlin eine Erklärung verlesen, in der der früheren Kirchenleitung ein "eklatanter Mangel an Verantwortungsübernahme" vorgeworfen und zugleich ein weiteres Bemühen um Aufarbeitung angekündigt wurde.

Der Gefängnisseelsorger Eckart Giebeler (1925-2006) sei von 1959 bis 1989 Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR gewesen, hieß es in der vom Berliner Bischof Christian Stäblein unterzeichneten Erklärung. Giebeler habe systematisch das Beichtgeheimnis gebrochen, Menschen verraten und umfassend über Gefangene berichtet. Das Ausmaß dieses Vertrauensmissbrauches sei "zutiefst erschreckend".

Knapp 300 Treffen von Giebeler mit Vertretern des Ministeriums für Staatssicherheit seien belegt, hieß es unter Hinweis auf eine Studie der Theologin Marie Anne Subklew-Jeutner von der Universität Hamburg. Da mehr als 90 Prozent der ihn betreffenden Berichtsakten vernichtet worden seien, sei die Zahl der Treffen vermutlich noch weit höher. Der Gefängnisseelsorger habe seinem Führungsoffizier Briefe von Inhaftierten sowie Berichte auf Tonbändern und in Form von Aufzeichnungen gegeben. Giebeler informierte demnach auch das Ministerium über Gefangene und kirchlich-interne Themen.

Bruch der seelsorgerischen Schweigepflicht ohne Konsequenzen

Nach der Wiedervereinigung wurde Giebeler laut der Erklärung 1990 als Gefängnisseelsorger beim Justizministerium Brandenburg angestellt. Als 1992 seine Stasi-Tätigkeit bekannt wurde, habe das Ministerium das Dienstverhältnis beendet. Für Giebeler habe der Bruch der seelsorglichen Schweigepflicht keine Konsequenzen gehabt, da die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) sich als nicht zuständig erklärte.

Die evangelische Kirche habe nach Giebelers Unterzeichnung des Vertrages mit dem Ministerium des Inneren eine kirchliche Berufung auf die Gefängnisseelsorgepfarrstelle zwar abgelehnt, da er formal als Staatsangestellter galt. Sie habe seine Arbeit jedoch durchgehend finanziell unterstützt, hieß es in der Erklärung. So habe es unter anderem Pensionszahlungen sowie offizielle Danksagungen zu seinen Ordinationsjubiläen gegeben.

Die Kirchenleitung sei verpflichtet, allen Versuchen entgegenzuwirken, diesen Teil der Geschichte systematischen Lügens und Verratens vor 1989 zu verharmlosen oder zu leugnen. "Sie verpflichtet sich, ihre Aufgabe zur Aufarbeitung der Geschichte der Kirche vor 1989 auch über den konkreten Fall der MfS-Stätigkeit von Giebler hinaus fortzuführen", hieß es in der Erklärung.
In dem Schreiben dankt die Kirchenleitung überdies ehemaligen Gefangenen für die Bereitschaft, ihre Geschichten und deren Folgen mitzuteilen. Auch nach Jahrzehnten könne es ein erneuter Schmerz sein, sich dem Erlittenen und dem Trauma der Haft zu stellen.