TV-Tipp: "Der neue Freund"

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25. Oktober, ARD, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Der neue Freund"
Die Handlung dieses Drei-Personen-Stücks ist auf den ersten Blick ebenso überschaubar wie der Schauplatz: Der Film spielt sich ausschließlich in einem malerisch am See gelegenen hochmodernen Einfamilienhaus ab. Die Figuren sind zwei Frauen und ein Mann, deren Beziehung im Verlauf der Ereignisse mehrfach wechselt, weil sich die Allianzen und damit auch das Vorzeichen wandeln: Mal ist die Atmosphäre angespannt und von unterschwelliger bis offenkundiger Feindseligkeit geprägt, mal ist die Stimmung ausgelassen; und schließlich nimmt das zuweilen heitere Drama sogar Züge eines Krimis an.

Trotzdem hätte die Verfilmung des Drehbuchs von Frédéric Hambalek leicht zum Kammerspiel werden können, weil sich das Ensemble größtenteils im Wohnzimmer aufhält; dennoch wirkt "Der neue Freund" dank Dustin Looses Umsetzung nie bühnenhaft. 

Am erstaunlichsten ist allerdings die Komplexität der Geschichte, obwohl sie sich auf einen Satz komprimieren lässt: Eine Tochter ist überzeugt, dass es sich beim neuen Lebensgefährten ihrer Mutter um einen Heiratsschwindler handelt. Nach dem Tod des Gatten hat Henriette (Corinna Harfouch) dessen Unternehmen verkauft, sie ist nun Multimillionärin. Ein kurzer Prolog lässt keinen Zweifel daran, was die Witwe ganz besonders am allenfalls halb so alten Philipp (Louis Nitsche) schätzt.

Kurz drauf kommt es zur ersten Begegnung ihrer Tochter Johanna (Karin Hanczewski) mit dem Mann, der sogar noch jünger ist als sie selbst. Sie hält Philipp ganz offenkundig für einen "Toy Boy", mit dem sich ihre Mutter die Zeit vertreibt. Die wiederum freut sich über ihre Frühlingsgefühle: "wo die Liebe hinfällt...". 

Mit Johannas Abreise könnte die Geschichte schon wieder vorbei zu sein. Auf die Ankündigung der bevorstehenden Hochzeit reagiert sie wie ein bockiger Teenager, weshalb Henriette ihre Reaktion als Missgunst deutet. Dass im Lauf der Auseinandersetzungen auch eine alte Rechnung auf den Tisch kommt, versteht sich fast von selbst. Plötzlich ändert sich jedoch alles. Die Anmutung wird deutlich düsterer, und das in jeder Hinsicht, als Johanna einige Zeit später abends auftaucht und ihre Mutter mit einigen Erkenntnissen schockiert. Die Nachforschungen eines Privatdetektivs haben Informationen zu Tage gefördert, die Philipp tunlichst verschwiegen hat; dieses Wissen lässt seine Motive in gänzlich anderem Licht erscheinen. 

Natürlich ist die Mutter nicht gerade begeistert über die Offenbarungen, bleibt aber vergleichsweise gelassen: Es hätte ohnehin einen Ehevertrag gegeben. Trotzdem legt sie die Heiratspläne erst mal auf Eis. Erneut hat die Handlung damit ein vermeintliches Ende erreicht, aber die zwischen den beiden Zeitebenen hin und her hüpfende Geschichte geht noch weiter, denn anstatt erneut abzureisen, lässt sich Johanna unter dem Einfluss eines japanischen Kirschblüten-Whiskys auf ein Zwiegespräch mit Philipp ein, in dem der junge Mann seine Seite der Dinge schildert. 

Neben dem überraschenden Handlungsreichtum und dem handwerklichen Geschick (Kamera: Clemens Baumeister, Schnitt: Anna Nekarda) beeindruckt "Der neue Freund" vor allem schauspielerisch. Das mag angesichts der Meriten gerade der beiden Hauptdarstellerinnen nicht weiter überraschend sein, aber gerade Karin Hanczewski erfreut durch einige Slapstickszenen sowie eine oftmals in Details am Rande ausgelebte Spielfreude, die sie sonst nur selten zeigt. Eindrucksvoll ist auch, wie gut sich der bislang noch nicht größer in Erscheinung getretene Louis Nitsche neben den beiden ungleich erfahreneren Kolleginnen hält, zumal er aus der nur scheinbar unterkomplexen Rolle des Spielgefährten eine Menge rausholt. 

Loose, 2015 für seinen Kurzfilm "Erledigung einer Sache" mit dem "Oscar" für Filmstudierende ausgezeichnet, ist ohnehin ein Garant für fesselnde Fernsehfilme. Seine letzte Arbeit war der ausgezeichnete zweite Rostocker "Polizeiruf" mit Lina Beckmann als neue Partnerin von Anneke Kim Sarnau ("Daniel A.", 2023); zuvor hat er unter anderen für den MDR den intensiven Kindermörderkrimi "Déjà-vu" (2018) mit dem "Tatort"-Team aus Dresden (also auch mit Hanczewski) sowie einen makabren "Tatort" mit Christian Ulmen und Nora Tschirner ("Der höllische Heinz", 2019) gedreht. Einer seiner letzten Filme war das melancholische Selbstfindungsdrama "Mein Altweibersommer" (2020) mit Iris Berben als Frau, die nach dreißig Jahren ihre Ehe in Frage stellt und was ganz Verrücktes macht. "Der neue Freund" (SWR) spielt zwar am Bodensee, ist aber ausschließlich in Berlin entstanden.