TV-Tipp: "Wilsberg - Wut und Totschlag"

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14. Oktober, 20.15 Uhr, ZDF
TV-Tipp: "Wilsberg - Wut und Totschlag"
Diese Wilsberg-Episode lebt von Handlungsvielfalt, von ausnahmslos guten Leistungen des Ensembles sowie vielen Fettnäpfchen und Fallstricken; die entsprechenden Dialoge sind eine große Freude.

Vor knapp vierzig Jahren erfand die amerikanische Comiczeichnerin Alison Bechdel einen Test, der seither ihren Namen trägt. Es ging um die Frage, woran sich erkennen lässt, ob sich eine Filmhandlung innerhalb der üblichen Geschlechterklischees bewegt oder nicht: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen, sprechen sie miteinander, und falls ja: Reden sie nicht nur über Männer? Wissenschaftlichen Ansprüchen genügen diese Aspekte natürlich ebenso wenig wie ein weiterer Ansatz, der als "Sexy Stehlampentest" bekannt geworden ist: Lässt sich die weibliche Hauptfigur durch eine sexy Stehlampe ersetzen, ohne dass sich eine Filmhandlung wesentlich ändert? 

Zunächst stellt sich allerdings die Frage, was das alles mit der jüngsten "Wilsberg"-Episode zu tun hat, die trotz ihres gewalttätigen Titels "Wut und Totschlag" zwar auch ein Krimi, aber vor allem sehr amüsant ist. Den Stehlampentest absolviert die Reihe ohnehin mit Bravour, schließlich ist der Privatdetektiv (Leonard Lansink) seit jeher von starken Frauen umgeben.

Die Idee zum 79. Film stammt von Reihenschöpfer Jürgen Kehrer, der das Drehbuch wie zuletzt des Öfteren gemeinsam mit Sandra Lüpkes geschrieben hat. Diesmal hat das Duo die Beziehung zwischen den Geschlechtern zum Thema gemacht und die Geschichte dabei so clever konstruiert, dass auch vermeintliche Abschweifungen immer wieder zum zentralen Erzählstrang zurückführen, zumal zumindest zwei Ereignisse in direktem Zusammenhang zueinander stehen. 

Ecki (Oliver Korittke) hat bei einer Auktion ein siebzig Jahres altes Gemälde eines Münsteraner Künstlers erstanden. Das Bild soll sein Büro im Finanzamt schmücken, löst jedoch umgehend einen kleinen Aufruhr aus, weil es offenbar eine unbekleidete Frau zeigt. Ob die Empörung angebracht ist, bleibt bis zum Schluss offen; erst dann gewährt Regisseur Philipp Osthus einen Blick auf das Werk und sorgt so für eine verblüffende Pointe. Wortführerin des Protestes ist die Kollegin Schnakenwinkel (Mirka Pigulla), weshalb Ekki überzeugt ist, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt: Im Zuge einer Revision hat er festgestellt, dass die Dame beim Steuerbescheid für einen Zeitschriftenverlag einen erheblichen Fehler begangen hat. 

Dieser Verlag wiederum ist Schauplatz eines tragischen Todesfalls: Einer der beiden Chefs hat sich offenbar das Leben genommen. Flaggschiff des Unternehmens war bislang die zuletzt zunehmend erfolglose Männerzeitschrift "Men & Meat" (Männer und Fleisch), nun soll "Feminism for Future" für neue Umsätze sorgen. Kommissarin Springer (Rita Russek) ist empört und schreibt gleich mal einen Kommentar: "Patriarchales Gedankengut im Deckmantel des Feminismus". Unbeabsichtigt löst sie damit eine regelrechte Hasslawine aus, Morddrohungen inklusive. Als sich rausstellt, dass beim Ableben des Verlagsleiters nachgeholfen wurde, macht sie sich natürlich Vorwürfe und bittet ihren Freund Wilsberg um Hilfe. 

Dritte Ebene schließlich ist eine Stellenausschreibung: Das Polizeipräsidium sucht eine Gleichstellungsbeauftragte. Weil den Job theoretisch auch ein Mann übernehmen kann, bewirbt sich Overbeck (Roland Jankowsky) kurzerhand, schließlich habe er "schon gegendert, da durften Frauen noch gar nicht wählen." Die Konkurrenz ist überschaubar, aber nicht zu unterschützen, denn neben dem Bielefelder Kommissar Drechshage (Stefan Haschke) bewirbt sich auch dessen Mitarbeiterin Thuong Nhi (Mai Duong Kieu). Schon allein das Wiedersehen mit diesem Duo ist eine große Freude; Nhi ist es auch, die den Stehlampen-Test ins Spiel bringt. Als Overbeck eine Verbindung Drechshages zum Verlag entdeckt, will er ihm umgehend den Mord anhängen, doch Wilsberg, Ekki und Springer finden unabhängig voneinander noch ganz andere Verdächtige. 

Die Umsetzung des überaus abwechslungsreichen Drehbuchs ist handwerklich solide, aber nicht weiter aufregend. "Wut und Totschlag" lebt von der Handlungsvielfalt, den ausnahmslos guten Leistungen des Ensembles sowie den vielen Fettnäpfchen und Fallstricken; die entsprechenden Dialoge sind eine große Freude. Ausgerechnet Frauenversteher Ekki muss sich als "antiquierter Chauvinist" titulieren lassen und warnt unter Hinweis auf Pippi Langstrumpf oder die Märchen der Gebrüder Grimm in einem flammenden Plädoyer davor, Kunst von früher nach heutigen Maßstäben zu messen. Weil er seinen Vorgesetzten (Vittorio Alfieri) als "opportunistisches Würstchen" bezeichnet hat, wird er zu allem Überfluss suspendiert und zu einem Anti-Aggressions-Training verdonnert, was wiederum auf überraschende Weise zur Lösung des Falls beiträgt. 

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