TV-Tipp: "Tatort-Bauernsterben"

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15. Oktober, 20.15 Uhr, ARD
TV-Tipp: "Tatort-Bauernsterben"
Kommt die EU ins Spiel, wird’s kompliziert. Das gilt nicht nur für die Bürokratie, sondern auch für den TV-Krimi: weil es in der Regel reichlich Erklärungsbedarf gibt, wenn Brüssel mitmischt; zum Beispiel im Zusammenhang mit Missbrauch von Fördermitteln.

Moritz Eisner macht diese Erfahrung nicht zum ersten Mal, und auch im Rahmen des ARD-Sonntagskrimis gab es das Thema bereits. Das war 2009 in einem "Tatort" aus Berlin, der Film trug den treffenden Titel "Schweinegeld". Die Tiere spielen in Fall Nummer 56 für den Wiener Ermittler ebenfalls eine erhebliche Rolle: Der Besitzer eines Mastbetriebs wird tot am Stall gefunden, und weil sich einige seiner Viecher einen unerlaubten Freigang gönnen konnten, ist die Leiche kein schöner Anblick; Schweine sind bei der Nahrungsaufnahme nicht wählerisch. Die makabren Anmerkungen des Rechtsmediziners tragen auch nicht gerade dazu bei, dem Ableben eine appetitlichere Note zu geben. 

Natürlich stellt sich die Frage, wer’s war, denn Max Winkler ist erschlagen worden; erst anschließend haben seine Schweine am ihm herumgeknabbert. Wie in solchen Fällen üblich, schauen sich Eisner (Harald Krassnitzer und Kollegin Fellner (Adele Neuhauser) zunächst im unmittelbaren Umfeld um: Der Hof ist erheblich verschuldet, weil sich Winkler hinter dem Rücken seiner Frau auf windige Geschäfte mit einem bulgarischen Unternehmen eingelassen hat. Jetzt steht der Betrieb vor der Pleite, wie der Gatte seiner nun zur Witwe gewordenen Gemahlin (Claudia Martini) kurz vor seinem Tod gestanden hat.

Ungleich erzürnter ist allerdings ihr Vater (Haymon Maria Buttinger), denn der hat den Hof seinem Schwiegersohn überlassen und hatte angesichts des unvermeidlichen Verkaufs einen erheblichen Streit mit Max. Dass der Verdacht zudem auf einen hitzigen rumänischen Arbeiter (Marko Kerezovic) fällt, ist hingegen früh als Ablenkungsmanöver zu durchschauen.

Bis hierher bewegt sich "Bauernsterben" ohnehin in erwartbaren Krimibahnen. Der Tonfall ist den Umständen zum Trotz eher heiter, zumal Regisseurin Sabine Derflinger die Leute auf dem Land als "schräge Vögel" inszeniert. Eisners entsprechende Bemerkung ist allerdings auf den Betriebsleiter Obermeier gemünzt. Martin Leutgeb ist neben dem Duo Krassnitzer und Neuhauser der einzige auch hierzulande bekannte Mitwirkende und hat spürbare Freude daran, den Mann als einen wortkargen Sonderling zu verkörpern, der zu den Schweinen eine mutmaßlich innigere Beziehung hat als zu seinen Mitmenschen. 

Interessant, aber weniger lustig und zudem kompliziert wird die Geschichte, als die Spur zurück nach Wien führt: erst zu einer Tierschutzorganisation, dann in die Zentrale von Agrar Nuovo, jenes milliardenschweren Konzerns, der den Mastbetrieb in den Ruin getrieben hat. Natürlich geht es nun auch um Ernährungsgewohnheiten. Manch eine der entsprechenden Botschaften fällt beiläufig in den Gesprächen zwischen Eisner und Fellner, wenn die Majorin feststellt, es sei den Leuten wurst, wo das Fleisch herkomme, Hauptsache billig; aber gerade Maria Vogler (Claudia Martini), die Galionsfigur der Tierschutzgruppe, hält einige Vorträge. Das macht sie schon seit vierzig Jahren, ohne wirklich etwas erreicht zu haben; womöglich hat ein Mitglied ihrer Gefolgschaft die Geduld verloren und ein Zeichen gesetzt. 

Die junge Mina (Julia Wozek) zum Beispiel, so etwas wie Voglers Mündel und außerdem ein Computergenie, scheint zur Eskalation bereit; auf einem Silo von Winklers Hof prangt bereits vor dem Mord unübersehbar in roter Farbe das Wort "Mörder". Weil das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung gegen Agrar Nuovo wegen Subventionsbetrugs ermittelt, mischt nun auch eine Staatsanwältin (Agnieszka Salamon) mit, weshalb es viel Erklärungsbedarf gibt. Einige Hintergrundinformationen hat Drehbuchautor Lukas Sturm als Radiobeitrag verpackt, aber mitunter müssen die Dinge auch im Dialog erläutert werden. Immerhin schlägt der Film eine ungewöhnliche Richtung ein, als Mina mehr und mehr zur zentralen und schließlich auch tragischen Figur wird: Fellner engagiert die hochbegabte Hackerin, um illegal in die Datenbank des Konzerns einzudringen. 

Derflinger war die erste Frau, die für den ORF einen "Tatort" inszenieren durfte ("Falsch verpackt", 2012); 2014 ist sie für "Ausgezählt", ebenfalls ein "Tatort", gemeinsam mit Krassnitzer und Neuhauser mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Die Inszenierung von "Bauernsterben" ist allerdings nicht weiter auffällig. Ungewöhnlich ist allein die Musik von Martina Eisenreich, die ihre elektronische Spannungskomposition in den ländlichen Szenen mit Zitherklängen konterkariert.

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