Studie: Mehr Menschen auf Distanz zur Demokratie

Megafon auf einer Demonstration
© Getty Images/slobo
Die Zustimmung zu demokratischen Grundwerten sinkt laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Friedrich-Ebert-Stiftung
Studie: Mehr Menschen auf Distanz zur Demokratie
Nur rund jeder Zweite in Deutschland vertraut laut der Mitte-Studie den staatlichen Institutionen, acht Prozent teilen rechtsextreme Einstellungen. Die Mitte distanziere sich von demokratischen Grundwerten, bilanzieren die Autoren.

Das Vertrauen in staatliche Institutionen sinkt, mehr Menschen verlieren den Glauben an die Demokratie, wünschen sich sogar eine Diktatur: Die neue Studie der SPD-nahen zu rechtsextremen und demokratiegefährdenden Einstellungen in Deutschland zeichnet das Bild einer nach rechts gerückten gesellschaftlichen Mitte in Deutschland. "Die distanzierte Mitte" ist die am Donnerstag vorgestellte Studie überschrieben, für die ein Forschungsteam um die Konfliktforscher Andreas Zick und Beate Küpper alle zwei Jahre den politischen Einstellungen der Deutschen auf den Zahn fühlt.

Zick sprach bei der Vorstellung von einem "Kipppunkt" und appellierte an Politik und Gesellschaft, die Ergebnisse zum Anlass für Handeln zu nehmen. Es reiche nicht, von einer Brandmauer zu sprechen, sagte er. "Es ist kein Brand. Es ist eher eine Überschwemmung in die Mitte, und da hilft eine Brandmauer nicht", sagte er.

Nach den Ergebnissen der sogenannten Mitte-Studie ist der Anteil der Menschen, die ein "manifest rechtsextremes Weltbild" haben, deutlich gestiegen: auf acht Prozent. In den vergangenen Erhebungen waren dies zwei bis drei Prozent. Sechs Prozent der Befragten befürworteten eine Diktatur mit einer starken Partei und einem Führer. Anstiege verzeichnet die Studie auch bei der Zustimmung zu nationalchauvinistischen Einstellungen, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus sowie der Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten.

Parallel sinkt die Zustimmung zu demokratischen Grundwerten, auch wenn sie weiterhin von der übergroßen Mehrheit geteilt werden. Fanden bei der Erhebung 2019 noch 93 Prozent, dass Würde und Gleichheit an erster Stelle stehen sollen, waren es diesmal 87 Prozent. 57 Prozent der Befragten finden, dass die deutsche Demokratie im Großen und Ganzen ganz gut funktioniere. 2021 waren es noch 65 Prozent. Für die Studie wurden den Angaben zufolge im Januar und Februar 2.027 Volljährige in einer repräsentativen Telefonumfrage vom UADS Institut in Duisburg befragt.

Demokratieförderung ist nötig

Das Vertrauen in staatliche Institutionen ist gegenüber der vergangenen Befragung sogar um gut zehn Prozentpunkte auf nunmehr nur noch 51,5 Prozent gesunken. Gefragt wurde dabei den Angaben zufolge nach Institutionen wie Behörden, Gerichten und Universitäten. Forscherin Küpper sieht darin nach eigenen Worten eine große Gefahr für die Demokratie. "Demokratie braucht Vertrauen", sagte sie. Den Medien vertrauen laut aktueller Studie zwei Drittel der Befragten (66,3 Prozent), 2021 waren es noch drei Viertel (74,6 Prozent).
Die Autorinnen und Autoren fordern eine stärkere Demokratieförderung und kritisieren die geplanten Einsparungen der Ampel-Koalition bei der politischen Bildung. "Das besorgt uns sehr", sagte Zick. Dort zu sparen, sei ein falsches Signal.

 

Für diese Forderung bekommt das Forschungsteam Unterstützung. Der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung, Martin Schulz, sagte dem Nachrichtenportal "t-online", es komme jetzt stark darauf an, die schweigende Mehrheit zu mobilisieren, die demokratisch denke. Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman sagte, in dieser Situation "wäre es fatal, Mittel für die politische Bildungsarbeit zu kürzen".