"Die Luft, die er atmete"

Dirigent George Gershwin sitzt 1936 in Washington an einem Flügel
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George Gershwin verband, wie kaum jemand vor ihm, U-Musik mit E-Musik, Unterhaltungsmusik auf hohem Niveau mit klassischer Symphonik. Der Komponist und Pianist starb in Hollywood mit nur 39 Jahren an einem Gehirntumor.
125. Geburtstag George Gershwin
"Die Luft, die er atmete"
Der US-Amerikaner George Gershwin hat mit den Mitteln der Klassik populäre Musik komponiert. Schon zu Lebzeiten war er ein Star. Doch den Durchbruch seiner heute weltbekannten Oper erlebte er nicht mehr.

Für fünf Dollar hat er das erste eigene Lied verkauft. Schon bald danach veröffentlichte der junge George Gershwin (1898-1937) auch Klavierstücke und Musikeinlagen für Bühnenshows. Schließlich folgte 1925 das Werk für Orchester und Soloklavier, "Rhapsody in Blue", drei Jahre später "An American in Paris". Der US-amerikanische Pianist und Komponist George Gershwin ist heute weltbekannt, Songs wie "Summertime" aus der Oper "Porgy and Bess" wurden längst zu Hits. Am 26. September jährt sich sein Geburtstag zum 125. Mal.

Scheinbar mühelos verschmolz der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer die musikalischen Einflüsse seiner Umgebung zu einem neuen Stil, der damals als spezifisch "amerikanisch" empfunden wurde. Für den schweizerischen Pianisten und Mitbegründer des Gershwin Piano Quartet, André Desponds, ist diese Musik "Lebensfreude pur, die in einem genialen Künstler Ausdruck findet".
Besonders beeindruckten ihn die Harmonien des Amerikaners. Sie seien "so schön raffiniert", jedes kleine Detail wecke Emotionen. Gershwin sei sozusagen "der amerikanische Schubert". Wie er hat auch Franz Schubert (1797-1828) am Detail gefeilt sowie unter anderem Lieder geschrieben.

"Gershwins Werk wird nie langweilig", sagt Pianist Desponds. Selbst nach einem intensiven, manchmal tagelangen Studium bekomme er nie genug von einem seiner Stücke. Die berühmte "Rhapsody in Blue" etwa habe er in seiner Karriere schon mehr als 1.000 Mal öffentlich gespielt. Aber noch immer könne er sie so interpretieren, als entstehe sie ständig wieder neu.

Gershwin wurde am 26. September 1898 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren. Schon früh sammelte Jacob Gershovitz, wie er zunächst hieß, sowohl im klassischen Repertoire als auch in der Unterhaltungsmusik Erfahrungen. Sein Klavierlehrer, der Konzertpianist Charles Hambitzer (1878-1918), unterrichtete ihn in klassischer Musik, stellte aber schon bald fest: "Er will sich unbedingt mit dem modernen Krimskrams abgeben, mit Jazz und dergleichen. Aber das lasse ich vorläufig nicht zu. Erst soll er sich gefälligst in der seriösen Musik auskennen."

Als Jugendlicher schrieb er die ersten Songs

Heimlich schrieb Gershwin schon als Jugendlicher die ersten eigenen Songs. Zudem begann er mit 16 Jahren in der "Tin Pan Alley" zu arbeiten, einer Straße in Manhatten, wo die meisten New Yorker Musikverlage angesiedelt waren. Als sogenannter "Song Plugger" war es seine Aufgabe, die neuesten Schlager bekannt zu machen. Dafür saß er oft stundenlang singend am Klavier und trug die Neuheiten vor.

Ganz besonders interessierte er sich aber für die Musik der Afroamerikaner und für den Jazz. In den Jahren 1934 und 1935 komponierte er schließlich die Oper "Porgy and Bess". Erzählt wird eine Geschichte um Liebe, Hass, Eifersucht und Diskriminierung. Die Handlung spielt in Charleston in South Carolina, wohin Gershwin während seiner Kompositionsarbeit mehrfach reiste. In seiner Musik verbindet er Jazz- und Folkloreelemente.

"Porgy and Bess" gilt als die erste eigenständige Oper Nordamerikas und handelt vom herausfordernden Leben der Afroamerikaner um 1870. Wie auch bei anderen erfolgreichen Broadway-Stücken haben George und sein Bruder Ira Gershwin (1896-1983) zusammengearbeitet. Die Premiere fand 1935 in New York statt, eine Voraufführung gab es in Boston.

Doch nach 124 Aufführungen am Broadway - im Vergleich zu anderen Stücken dort war das wenig - wurde das Werk abgesetzt. In einer Zeit ausgeprägter Rassendiskriminierung spülte es offenbar zu wenig Geld in die Kassen. Den großen Durchbruch der Oper mit Welttourneen in den 1950er Jahren erlebte der Komponist nicht mehr: Mit nur 38 Jahren starb Gerswhin 1937 an einem Hirntumor.

Gesellschaftlich Benachteiligte und Außenseiter werden Opernhelden

"Wenn ich Erfolg habe, wird es eine Kombination aus dem Drama und der Romantik von 'Carmen' und der Schönheit der 'Meistersinger' sein", hatte Gershwin einmal erklärt. Wie Georges Bizet (1838-1875) hat auch er gesellschaftlich Benachteiligte und Außenseiter zu Opernhelden werden lassen. Eine Verfilmung des Opernstoffes nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte schließlich ein Millionenpublikum.

Trotz seines frühen Todes und seiner überschaubaren kompositorischen Werkes war Gershwin ein amerikanischer Star. Außer Musicals für den Broadway und Filmmusik schrieb er für den klassischen Konzertbetrieb und trat weiterhin auch als Pianist auf.

Der Komponist Arnold Schönberg hat Gershwin als einen "jener seltenen Musiker" beschrieben, "für die Musik nicht ein Produkt mehr oder weniger großer Geschicklichkeit ist. Musik war für ihn die Luft, die er atmete, die Speise, die ihn nährte, der Trank, der ihn erfrischte. Musik war das, was sein Gefühl erweckte, und Musik war das Gefühl, das er ausdrückte".