TV-Tipp: "Mit Harpunen schießt man nicht"

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21. September, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Mit Harpunen schießt man nicht"
Die Geschichte um einen Schwarzen und eine Seniorin ist mit Pointen nur so gespickt, hat aber auch einen ernsten Grund. Es geht um zwei Menschen, die abgeschoben werden sollen - die eine ins Heim, der andere in sein Herkunftsland.

Wenn ein Hand- oder Kunstwerk ansonsten tadellos ist, fällt ein Makel umso mehr ins Auge. Bei dieser zu 99 Prozent gelungenen Komödie ist es ein Furz, der angesichts der aller Heiterkeit zum Trotz seriösen Handlung und erst recht der vielen geistreichen  Dialoge völlig deplatziert klingt. Absurd ist auch der Titel.

Ursprünglich hieß die Geschichte "Oma ihr klein Häuschen" - und das passt perfekt, denn darum geht es: Als die verwitwete Gerda nach einem Sturz ins Krankenhaus muss, will Tochter Linda das Elternhaus hinter dem Rücken der Mutter verkaufen. Daraus wird natürlich nichts, was auch mit Gerdas Altersstarrsinn zu tun hat: Die nur scheinbar rüstige alte Frau wäre zwar in einer Seniorenresidenz tatsächlich besser aufgehoben, hat aber keine Lust auf ein Dasein, dessen einzige Perspektive der Tod ist. Als rettender Engel entpuppt sich ein Afrikaner, dem Gerda ein Angebot macht, das er nicht ablehnen kann.

Die Handlung beginnt mit einer Taxifahrt und einer telefonischen Auseinandersetzung: Simon (Eugene Boateng), als Kind mit seiner Mutter aus Ghana nach Deutschland gekommen, hat kürzlich erfahren, dass er seit neun Jahren Vater ist. Nun besteht er auf regelmäßigem Kontakt zu seiner Tochter, aber seine Wohnung ist viel zu klein. Prompt kriegt er auch Krach mit seinem Fahrgast, weil er sich nicht auf den Verkehr konzentriert: Linda (Isabell Polak) ist mit einer Maklerin verabredet.

Als Simon später in seinem Taxi den Hausschlüssel findet, erscheint ihm dies als Wink des Schicksals: Bis Linda einen Käufer gefunden hat, kann er seiner Prinzessin ein angemessenes Heim bieten. Allerdings hat er die Rechnung ohne die zwischenzeitlich aus der Klinik geflohene Gerda (Gerburg Jahnke) gemacht: Sie bedroht den vermeintlichen Einbrecher mit einer Harpune und zwingt ihn kurzerhand zum Pflegedienst, andernfalls würde sie die Polizei rufen.

Schon allein diese Paarung würde für eine anspruchsvolle Geschichte im Stil von "Ziemlich beste Freunde" reichen - denn selbstredend entwickelt sich zwischen den beiden gänzlich unterschiedlichen Menschen eine innige Beziehung. Tatsächlich nutzt Drehbuchautor Stefan Kuhlmann die vortrefflich gespielte Kombination aber bloß als Basis für eine Geschichte über eine äußerst ungewöhnliche Patchwork-Konstellation, denn nach und nach finden sich sämtliche Beteiligten aus unterschiedlichsten Gründen in Gerdas Eigenheim vor den Toren Münchens ein.

Simons Tochter Feli (Muine Keune) bringt umgehend Leben ins Haus, und schließlich taucht auch noch ihre Mutter Dora (Giulia Goldammer) auf, wobei dem grundsympathischen, aber mitunter etwas begriffsstutzigen Simon entgeht, dass sich Dora und Linda keineswegs zum ersten Mal begegnen. Alle versichern, die Konstellation sei nur vorübergehend; aber Familie ist nicht vorübergehend.

Gerade in der ersten Hälfte erfreut der Film durch eine beeindruckende Pointenvielzahl, zumal Regisseur Peter Gersina, maßgeblich für Qualität der RTL-Serie "Der Lehrer" mitverantwortlich, die Geschichte auch dank der munteren Musik (Gert Wilden Jr.) angemessen temporeich erzählt. Das Drehbuch hat jedoch weitaus mehr zu bieten als Gags am laufenden Band, denn schließlich legt sich ein Schatten über die Geschichte: Es gibt einen tragischen Grund dafür, dass Mutter und Tochter regelmäßig in Streit geraten. Außerdem geht es Gerda längst nicht so gut, wie sie vorgibt.

Dass die alte Frau und der junge Mann so rasch zueinander finden, hat auch mit dem gemeinsamen Status zu tun, denn beiden droht die Abschiebung: ihr aufs Abstellgleis, ihm in die Heimat seiner Vorfahren; er ist zwar in Deutschland aufgewachsen, aber bloß geduldet.

Trotz der dunklen Subthemen verbreitet der Film auch dank des gelungenen Zusammenspiels von Bild und Musik enorm viel gute Laune. Einige Momente sind einfach nur übermütig, wenn Linda beispielsweise das Schlimmste befürchtet, als Simon ihr mit scheinbar blutbesudelten Gummihandschuhen die Tür öffnet.

Die Scherze über typische Alterserscheinungen bewegen sich mitunter gefährlich nah am Rand zur Klamotte, sind aber mit Ausnahme der erwähnten Flatulenzen niemals plump. Nicht lustig ist im Grunde auch eine Begegnung Simons mit der Polizei: Als er ein starkes Schmerzmittel besorgen soll, ruft die Apothekerin eine Streife, weil sie den Schwarzen für einen Kriminellen hält. Gersina nutzt die Szene, um wenig später mit einem einfachen Mittel auch optisch witzig zu erzählen: Bei Felis Ankunft zeigt die Kamera sie aus der gleichen bedrohlich wirkenden Untersicht wie kurz zuvor den Polizisten.