Neuanfang auf vier Quadratmetern

Gruppenfoto bei Einzug
© Andrea Wagenknecht
Das Minihäuschen ist eine Brücke, die Obdachlosen den Weg zurück zu einem Zuhause ermöglichen soll. Vorübergehend ist nun der 51-jährige Sven* (ganz links) eingezogen. Sozialarbeiter Raju Bollmann, Bettina Weiler, Matthias Röhrig (Leiter Teestube) und Elena Fusca (Projektleitung) (von links) freuen sich mit ihm über seine neue Bleibe auf Zeit.
Projekt "DachübermKopf"
Neuanfang auf vier Quadratmetern
Was für manche wie ein Holz-Container aussieht, ist für den obdachlosen Gitarristen Sven* ein Geschenk. Dank des Projekts "DachÜbermKopf" hat der 51-Jährige auf dem Gelände der Wiesbadener Versöhnungsgemeinde nun einen Rückzugsort.

Das Mini-Haus ist Teil des Projekts "DachübermKopf" des Diakonischen Werks Wiesbaden und verfügt über ein Bett, eine Campingtoilette und eine Solarzelle. Mitarbeiter:innen des Grünflächenamtes der Stadt haben den Container auf dem Gelände der Versöhnungsgemeinde im Aukammviertel aufgestellt. Es ist der dritte seiner Art und soll Wohnungslosen ein vorübergehendes Zuhause bieten. 

Neuester Bewohner des Ein-Raum-Häuschens ist Sven*. Er hat nach einer abgesessenen Haftstrafe zunächst mehrerer Monate auf der Straße gelebt. Über sein neues Heim auf Zeit freut er sich riesig: "Es ist ein Geschenk, jetzt wieder einen Rückzugsort zu haben und die Tür hinter sich zu machen zu können", sagt er. Derzeit ist der Gitarrist vor allem als Straßenmusiker in der City unterwegs. Über Auftrittsmöglichkeiten würde es sich freuen. "Das Häuschen ist auch ein Neuanfang für mich. Ich hoffe, er gelingt."

Auf dem Gelände der Lutherkirche und der Anglikanischen Kirche wurden die Häuschen bereits zum zweiten Mal bezogen, weil die jeweiligen Erstbewohner eine Wohnung beziehungsweise einen Platz in einem Übergangswohnheim gefunden hatten. Geld für weitere Häuser ist da, allerdings sei man noch auf der Suche nach geeigneten Stellplätzen, erklärt die Wiesbadener Geschäftsfrau Bettina Weiler, die mit Matthias Röhrig, Leiter der Teestube des Diakonischen Werks Wiesbaden, das Projekt "DachübermKopf" konzipiert und umgesetzt hat. 

Matthias Röhrig (rechts), Leiter der Wiesbadener Teestube, mit dem neuen Bewohner des Minihauses. Die Unterkunft wird durch Spenden finanziert.

Die Minihäuschen seien ein Baustein, um Wohnungslosen eine Brücke zu bauen, heißt es in der Mitteilung der Diakonie. Das Konzept baue darauf auf, dass die Menschen weiterführende Hilfen wie Übergangswohnheime, Sonderwohnformen, wie etwa das Containerdorf, und die Vermittlung einer Wohnung auf dem freien Markt nutzen.

Sozialarbeiter:innen als Bindeglied

Finanziert werden die Häuser aus Spenden. Sozialarbeiter:innen kümmern sich um die Bewohnenden, schauen nach, dass die Boxen nicht verwahrlosen, und sind Ansprechpartner:innen für den jeweiligen Bewohner, aber auch für die Mitglieder der Kirchengemeinden. Finanziert werden die Sozialarbeiterstellen durch das "EhaP Plus"-Programm von Europäischer Union und Bundesarbeitsministerium. 

Die Versöhnungsgemeinde, die mit Betina Weiler zusammen auch das jährliche Obdachlosenessen in ihren Gemeinderäumen ausrichtet, hat sich die Entscheidung für ein Minihäuschen auf ihrem Gelände dennoch nicht leichtgemacht: "Wir haben lange überlegt, ob wir das verantworten können und wollen", sagt Pfarrerin Petra Hartmann. "Wir haben nicht die Kapazitäten hier Betreuungsarbeit zu leisten, aber das ist ja auch nicht nötig. Schlussendlich hat der Kirchenvorstand einstimmig beschlossen, die Initiative zu unterstützen."

Ausschlaggebend sei dabei auch gewesen, dass es bei den Häuschen an der Lutherkirche und der Anglikanischen Kirche bis jetzt keine Probleme gegeben habe. Ob sich die Kirchengemeinde und der neue Bewohner einander annähern, bleibt abzuwarten. 

Die Suche nach geeigneten Plätzen für die Häuser ist schwierig. Da alle Bewohner an die Teestube angebunden sind, sollte der Standort nicht zu weit weg von der Innenstadt sein. Dennoch könne man eben auch kein Häuschen auf dem Schlossplatz neben der Marktkirche aufstellen, so Matthias Röhrig. Weiler und Röhrig hoffen, dass sich weitere Kirchengemeinden – egal welcher Konfession – entschließen, einen Stellplatz zur Verfügung zu stellen. Gespräche würden bereits laufen.

*Name von der Redaktion erfunden