TV-Tipp: "Allein im All – Die einsame Reise zum Mars"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
12. August, Arte, 16.45 Uhr /23.45 Uhr
TV-Tipp: "Allein im All – Die einsame Reise zum Mars"
"Der Weltraum, unendliche Weiten": So begannen einst die Folgen der Kultserie "Raumschiff Enterprise". Die Mission: neue Welten erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen.

"Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat." Gemessen daran ist ein Flug zum Mars bloß ein Katzensprung, aber ohne den Warp-Antrieb des Raumschiffs, bei dem die Raumzeit gekrümmt wird, wird das Unternehmen inklusive Forschungsaufenthalt auf dem roten Planeten insgesamt drei Jahre dauern. Welche Folgen die lange Schwerelosigkeit und die extreme Strahlung für die Physis der Crew haben werden, lässt sich seriös kaum vorhersagen. Klar ist jedoch, dass die Trennung von den Familien eine außerordentliche psychische Belastung darstellen wird.

Zwar mag der Gedanke naheliegen, deshalb bevorzugt Singles auf die Reise zu schicken, aber Al Holland hat die Erfahrung gemacht, dass sich der Kontakt zu den Angehörigen positiv aufs Durchhaltevermögen des Teams auswirkt: Der NASA-Psychologe war als Berater zugegen, als im Sommer 2010 in Chile 33 Bergleute bei einem Grubenunglück 69 Tage lang eingeschlossen waren. Er hat dafür gesorgt, dass die Verwandten vor Ort waren und sich mit den Männern austauschen konnten. 

Holland ist die zentrale Figur der fesselnden deutsch-israelischen Dokumentation "Allein im All", er war schon bei der Nasa, als US-Präsident Ronald Reagan vor knapp vierzig Jahren den geplanten Bau einer Weltraumstation verkündete ("Wir können nach den Sternen greifen"); damals wusste niemand, ob der Mensch es überhaupt für längere Zeit im All aushalten würde. Mit Hilfe zweier Astronautinnen beschreibt Regisseur Ido Mizrahy, wie es sich anfühlt, die Familie zurückzulassen. Cady Coleman, mittlerweile 62, war vor gut zwei Jahrzehnten ein halbes Jahr lang an Bord der Internationalen Raumstation (ISS), ihr Sohn war damals noch ein kleiner Junge; der Film zeigt berührende Bilder ihrer Videogespräche. Die frühere U-Boot-Offizierin Kayla Barron (34) war ebenfalls schon auf der ISS, sie gehört zum Artemis-Programm der Nasa und ist eine Kandidatin für die geplanten Mondflüge. Sie könnte die erste Frau auf dem Mond werden; und vielleicht fliegt sie eines Tages auch zum Mars. Kayla und Ehemann Tom, ebenfalls Soldat, sind es zwar gewohnt, eine Fernbeziehung zu führen, aber drei Jahre? Das musste der Gatte erst mal verdauen. Und wie lässt sich der gemeinsame Kinderwunsch mit den Reiseplänen vereinbaren?

Es ist gerade diese im Zusammenhang mit Raumfahrt nur selten betrachtete emotionale Ebene, die den besonderen Reiz von "Allein im All" ausmacht. Im Vordergrund stehen ausnahmsweise mal nicht technische Aspekte, die bis ins kleinste Details berechnet werden können, sondern eine unberechenbare Schwachstelle: Wir kommen die Crew-Mitglieder mit Einsamkeit und Isolation zurecht? Anders als auf der ISS oder damals in Chile wird Kommunikation in Echtzeit wegen der enormen Entfernung nicht möglich sein, außerdem kann die Verbindung auch mal für längere Zeit ausfallen. Daher sind Alternativen ersonnen worden, etwa der Austausch in einer virtuellen Realität. Schon jetzt haben die ISS-Reisenden zudem die Möglichkeit, mit einer künstlichen Intelligenz zu plaudern, wie die Esa-Astronauten Alexander Gerst (2018 Kommandant der ISS) und Matthias Maurer demonstrieren: Ein Bildschirm zeigt das stilisierte Gesicht von Roboterassistent "Simon", dessen sanfte Stimme für positive Stimulation sorgen soll. 

Der Anästhesist Alexander Choukèr (LMU München) könnte sich dagegen vorstellen, die Mitglieder Mars-Mission während ihrer Reise in eine Art Winterschlaf zu versetzen; das künstliche Koma würde den Energieverbrauch deutlich senken und den Flug subjektiv erheblich verkürzen. Science-Fiction-Geschichten setzen gar auf eine Tiefkühlvariante, wobei allerdings regelmäßig nicht alle wieder aufwachen. Der Tiefschlaf, in welcher Form auch immer, hat zudem den Nachteil, dass die Reisenden anschließend von einer Vielzahl an politischen und persönlichen Nachrichten überflutet werden. Nach der Landung auf dem Mars dürften sich weitere Herausforderungen ergeben: Im Rahmen einer Simulation auf einem Testgelände ist schon mal der Ernstfall geprobt worden. Geplant waren acht Monate, aber das Experiment musste bereits nach einer Woche abgebrochen werden: Als ein Mann durch einen Stromschlag verletzt wurde, zerstritt sich die Crew über die Frage, ob er ins Krankenhaus gebracht werden soll. Auf dem Mars gäbe es diese Option ohnehin nicht; ein schwacher Trost. Ab 20.15 Uhr dokumentiert Arte mit der vierteiligen Reihe "Leben im All" die Suche nach außerirdischem Leben.