"Verschwörungserzählungen machen einsam"

Portrait der Politologin Viola Neu
© Urbschat
Viola Neu ist eine deutsche Politologin und arbeitet als Wahl- und Parteienforscherin bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie warnt vor dem Einfluss, den Verschwörungstheorien auf die Politik haben können.
Politologin
"Verschwörungserzählungen machen einsam"
Verschwörungstheoretiker sind nicht unbedingt extremistisch eingestellt, zeigt eine neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dennoch warnt die Politologin Viola Neu vor dem politischen Einfluss von Verschwörungserzählungen.

Verschwörungserzählungen machen nach Erkenntnissen der Politikwissenschaftlerin Viola Neu einsam. "Diejenigen, die komplett in diese Verschwörungswelten abgetaucht sind, haben sich gegenüber ihrer Umwelt komplett immunisiert", sagte die Abteilungsleiterin bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Das sei bestürzend. "Ich sehe keine Möglichkeit, wie man diese Menschen erreichen kann."

Die Gruppe sei zwar klein, aber auffällig, sagte Neu. Man könne zwar repräsentativ nicht sagen, wie groß sie tatsächlich sei, weil das empirisch nicht zu messen sei. Ihre neue Studie zur Verbreitung von Verschwörungstheorien in Deutschland zeige: Diese Menschen seien nicht extremistisch, wollten nicht das politische System abschaffen und lehnten nicht Demokratie und Menschenrechte ab. Aber sie lebten in einer absoluten Parallelwelt, sagte Neu.
Sie wüssten, dass andere ihre Aussagen für bestenfalls merkwürdig halten. Wenige versuchten, Mitmenschen zu bekehren. Entweder sie schwiegen, oder sie zögen sich zurück - und das oft mit der Haltung, sie wüssten es besser.

"Dieses Gefühl von Überlegenheit ist der Schlüssel zur Immunisierung", sagte Neu. Deswegen erreiche man diese Menschen nicht mit klassischen Mitteln der Ansprache: Der Freundeskreis, der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder andere Medien schieden aus. "Wer sich in diesem abgeschlossenen Paralleluniversum bewegt, nimmt andere Fakten nicht mehr wahr", sagte sie. Es gebe nicht die eine einflussreiche Verschwörungstheorie. Neu sprach von "Patchworkideologien". Auch dadurch gebe es für die politische Bildung kaum Ansatzpunkte.

Stattdessen, sagte Neu, müsse sich die politische Bildungsarbeit darauf konzentrieren, dass die Gruppe der unerschütterlichen Verschwörungsgläubigen nicht weiter wachse. Die Mehrheit derjenigen, die mit Verschwörungserzählungen sympathisierten, glaube nicht komplett daran. Beim Thema Corona zeige sich in der Studie, dass diese Menschen zum großen Teil überfordert seien von der Menge an Informationen und neuen Begriffen. Dies führe zu großer Unsicherheit. "Dann können alternative Fakten hängen bleiben, die ja sehr einfach sind", sagte Neu. Bei diesen Menschen könne man mit Kommunikation dennoch etwas erreichen. Diese Gruppe könne man beispielsweise über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch vergleichsweise gut ansprechen.

Glaube an Reptilienmenschen nicht harmlos

Viele schmunzelten zwar, wenn Menschen etwa an Reptilienmenschen in der Regierung glaubten. Doch harmlos sei dies mitnichten. Verschwörungstheorien könnten zerstörerische politische Kraft entwickeln, wenn man etwa auf das NS-Regime und die antisemitischen Verschwörungstheorien blicke, betonte Neu.
Laut der repräsentativen Befragung sind acht Prozent der Wahlberechtigten der Ansicht, dass es geheime Mächte gibt und 23 Prozent vermuten, dass diese Aussage wahrscheinlich richtig ist. Zudem zeigen die Befunde einen Bildungseffekt. Befragte mit eher niedrigen Bildungsabschlüssen neigen stärker zu Verschwörungstheorien. Unter der Grünen-Anhängerschaft gibt es am wenigstens Zustimmung zu Verschwörungstheorien. Diese Gruppe ist oft zufrieden mit der Demokratie und ihren Institutionen und vertraut auch den Informationen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Unter den Anhängern der AfD ist der Glaube an Verschwörungserzählungen hingegen am weitesten verbreitet.

Erstmals hält die Umfrage auch ein repräsentatives Ergebnis für Muslime fest: Auch in der Gruppe der befragten Muslime sind Verschwörungserzählungen überrepräsentiert.