EKD kritisiert Asylpolitik und deutsche Haltung

Olaf Scholz, Anne Gidion und Annette Kurschus in die Französischen Friedrichstadtkirche
© epd-bild/Hans Scherhaufer
Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit Anne Gidion, Bevollmächtigte der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus beim Johannisempfang der EKD.
Scholz verteidigt Kurs
EKD kritisiert Asylpolitik und deutsche Haltung
Die evangelische Kirche überbrachte Bundeskanzler Scholz bei ihrem Jahresempfang deutliche Kritik an der deutschen Zustimmung zu den Asyl-Plänen in der EU. Der verteidigt den Kurs.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Flüchtlingspolitik seiner Regierung gegen Kritik verteidigt. Es gebe Grundprinzipen, die unverrückbar gelten müssten, sagte Scholz am Mittwochabend in Berlin bei einem EKD-Empfang. "Jemanden aufzunehmen, der flieht vor Verfolgung und Krieg, ist ein Gebot der Menschlichkeit", sagte der Kanzler. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass nicht jeder vor Krieg und Verfolgung fliehe. Scholz äußerte sich beim Johannisempfang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bei dem die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus heftige Kritik am Kurs der Regierung übte.

"Nicht jedem, der in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland kommt, kann Deutschland ein solches Leben auch ermöglichen", sagte Scholz. Dies gelte es zu berücksichtigen, gerade wenn man Flüchtenden in Not auch in Zukunft helfen wolle. "Nur so erhalten wir die Zustimmung dafür, dass Deutschland Zuwanderung braucht", sagte er.

Die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus hatte in ihrer Festrede beim traditionellen Jahresempfang ihrer Kirche den Kompromiss der EU-Innenminister für ein gemeinsames europäisches Asylsystem zuvor scharf kritisiert. Europa habe "den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Migrationsfeindlichkeit gesucht und gefunden", sagte Kurschus. "Ich muss es tatsächlich so hart formulieren", ergänzte sie.

Die Innenminister:innen der EU-Staaten hatten sich Anfang Juni auf Grundzüge eines gemeinsamen Asylsystems geeinigt. Die Bundesregierung stellt heraus, dass damit erstmals ein verbindlicher Solidaritätsmechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen in Sicht ist. Der Kompromiss sieht aber auch sogenannte EU-Grenzverfahren vor, die nach Auffassung von Flüchtlingsorganisationen dazu führen könnten, dass Tausende Schutzsuchende in Lagern unter haftähnlichen Bedingungen ausharren müssen, bis ihr Anliegen geprüft ist.

Die Kirche könne und wolle sich nicht mit dem zufriedengeben, "was die EU auf Regierungsebene als einen verheißungsvollen Neuansatz in der gemeinsamen Migrationspolitik bezeichnet", sagte Kurschus unter Applaus vieler der anwesenden Gäste aus Religionsgemeinschaften, Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen. Abschottung und eine Rhetorik, die Angst verbreite, "spielen denen in die Hände, die Probleme bewirtschaften wollen, statt sie zu lösen", sagte Kurschus.

Scholz sagte in seinem Vortrag: "Ich weiß, hier in diesem Haus ist die Einigung nicht unumstritten." Deutschland werde dafür sorgen, dass sie noch besser werde. Dennoch sei der Kompromiss grundsätzlich richtig, "weil unser bisheriges System völlig dysfunktional ist."

Zuletzt sei der überwiegende Teil der Asylbewerber, der in Deutschland ankam, vorher in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat registriert worden. Rücküberstellungen in die Erstankunftsstaaten hätten nicht funktioniert. Zugleich hätten sich Außengrenzstaaten mit den steigenden Ankunftszahlen alleingelassen gefühlt. "Dieses System werden wir durch eine Vereinbarung ersetzen, die Verantwortung an der Außengrenze mit der Solidarität aller verbindet." Deutschland werde durch das System entlastet. "Denn bisher waren wir das Hauptziel für weitgehend ungesteuerte Binnenmigration innerhalb des Schengen-Raums", sagte er.

Am 29. und 30. Juni kommen die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem zweitägigen Gipfel in Brüssel zusammen. Auf der Agenda steht auch das Thema Migration.

Scholz (SPD) kündigte am Donnerstag bei seiner Regierungserklärung im Bundestag an, er werde den Asylkompromiss "beim Europäischen Rat kommende Woche aus Überzeugung verteidigen und dafür eintreten, dass wir noch vor den Europawahlen nächstes Jahr zu einer Einigung mit dem Europäischen Parlament kommen."