TV-Tipp: "Der Lissabon-Krimi: Zum Schweigen verurteilt"

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6. Juni, WDR, 22.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Lissabon-Krimi: Zum Schweigen verurteilt"
Es hat in den letzten Jahren diverse Filme über Missbrauch durch katholische Priester gegeben, aber Thomas Freundner beleuchtet das Thema in seinem ersten Drehbuch für die Reihe "Lissabon-Krimi" von einer anderen Seite (Idee: Horst Freund).

Die Geschichte kombiniert die Anschuldigung gegen Padre Lima (Timur Işik) mit einem zweiten Aspekt, der gleichfalls schon häufiger Handlungskern von Krimis und Dramen über Priester war. Der Padre engagiert sich hingebungsvoll für Straßenkinder.

Als einer seiner Schutzbefohlenen stirbt und die Obduktion Spuren von sexuellem Missbrauch ergeben, steht Lima unter Mordverdacht, zumal er in seiner Kirche mit der Leiche des Jungen auf den Armen angetroffen worden ist. Anwalt Eduardo Silva (Jürgen Tarrach) übernimmt auf Bitten seines alten Freunds Valdemar (Luís Lucas), des Onkels von Assistentin Marcia (Vidina Popov), die Verteidigung, landet aber umgehend in einer Sackgasse: Der Priester beteuert nicht nur seine Unschuld, er weiß sogar, wer den kleinen Pelé auf dem Gewissen hat; aber er ist ans Beichtgeheimnis gebunden. Da die Indizien jedoch gegen ihn sprechen, gibt es für Silva nur einen Weg, den Padre vor dem Gefängnis zu bewahren: Er muss den wahren Mörder finden. 

Die Qualität der früheren "Lissabon-Krimis" war wechselhaft; auf interessante Episoden folgten Inszenierungen, die eher einfallslos wirkten. "Zum Schweigen verurteilt" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2020) gehört zu den besseren Filmen der Reihe, selbst wenn die Umsetzung vergleichsweise beschaulich ist; Regie führte Tim Trageser, der sowohl sehenswerte Komödien ("Tollpension", 2006) und Dramen ("Einer bleibt sitzen", 2008) als auch gute Krimis etwa für den "Tatort" aus Münster oder die ZDF-Reihe "Kommissarin Lucas" gedreht hat.

Der Reiz seines ersten Lissabon-Krimis liegt neben dem zauberhaften Licht (Kamera: Eckhard Jansen), das mittlerweile zu einer Art Markenzeichen der Reihe geworden ist, sowie der schönen melancholischen Musik (Andreas Weidinger) in der Detektivarbeit des Anwalts. Lima mag unschuldig sein, aber den Täter vermutet Silva trotzdem im Klerus. Alsbald treffen Marcia und er auf einen Prälaten, mit dem der Padre am Tag des Mordes in der Kirche verabredet war. Filipe Sousa (Marques D’Arede) beteuert zwar, er sei gar nicht dort gewesen, aber ein Zeuge hat ihn gesehen. Der Mann hat in der Tat Dreck am Stecken: Silvas Pensionswirtin Beatriz (Katharina Pichler) ist als Kind von ihm mindestens sexuell belästigt worden; mehr will sie nicht erzählen. Der Fall scheint geklärt, doch ausgerechnet Lima legt für den Prälaten seine Hand ins Feuer. Die Zusammenhänge entpuppen sich als derart kompliziert, dass selbst ein Geständnis am Ende nur die halbe Wahrheit ist. 

Geschickt baut Grimme-Preisträger Freundner ("Tatort: Herzversagen", 2005), der die Inszenierung seiner Bücher sonst in der Regel selbst übernimmt, Anknüpfungspunkte für Stammzuschauer der Reihe ein: Witwer Silva wird mit einem Besuch am Grab seiner Frau eingeführt; anschließend lässt er seiner Trauer im Stammlokal freien Lauf. Auf dem Heimweg wird er von Straßenkindern beklaut; es handelt sich natürlich um die Rasselbande des Padres, die allesamt Spitznamen berühmter Fußballer tragen und von den Bewohnern des Viertels als Plage betrachtet werden. Zwei dieser Kinder werden im Verlauf der Handlung noch eine besondere Rolle spielen: Eine belastende Aussage von "Figo" droht das Schicksal Limas zu besiegeln, aber zum Glück gelingt es Silva, das Vertrauen von "Marta" (benannt nach dem brasilianischen Topstar) zu gewinnen. 

Die Schauspieler sind ausnahmslos gut geführt, auch die ganz jungen. Kinder stolpern meist über ihre Dialoge, aber die Synchronisierung, nicht selten eine Schwachstelle der von der ARD-Tochter Degeto verantworteten Auslandskrimis, klingt ordentlich. Timur Işik  ist eine gute Besetzung für die Episodenhauptrolle, zumal er die Prinzipientreue des Padres sowie die christliche Maxime "Einer trage des anderen Last" sehr glaubhaft verkörpert. Reichlich eindimensional fällt dagegen der eigentliche Schurke der Geschichte aus, ein vierschrötiger Streifenpolizist (Dinarte Branco) voller Vorurteile, dem jedes Mittel recht zu sein scheint, um die Kinderplage zu beseitigen. 

Im Anschluss (23.45 Uhr) zeigt der WDR eine weitere Episode der Reihe. Die Handlung von "Die verlorene Tochter" ist emotional noch fesselnder: Nach Jahren ohne Kontakt taucht aus heiterem Himmel Silvas Tochter (Helen Woigk) auf. Sie hat sich einer militanten Umweltschutzorganisation angeschlossen und bittet den Vater um Hilfe: Ihr Freund steht unter Mordverdacht; sie ist überzeugt, dass der Geheimdienst dahintersteckt. Das Licht, längst eine Art Markenzeichen der Reihe, ist zauberhaft, die Musik ist in diesen zweiten Film regelrecht Fado-gesättigt.