TV-Tipp: "Das schwarze Quadrat"

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5. Mai, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Das schwarze Quadrat"
"Das hätte meine fünfjährige Tochter auch malen können." Der Gedanke mag angesichts von Kasimir Malewitschs "Schwarzem Quadrat" schon vielen Menschen durch den Kopf gegangen sein, schließlich ist der Titel die perfekte Entsprechung des Inhalts; oder umgekehrt.

Trotzdem gilt das 1915 erstmals ausgestellte Bild als eine Ikone der Malerei des 20. Jahrhunderts. Der russische Künstler hat es im Lauf der Jahre in  mehreren Variationen präsentiert, was zwar seinen Ruhm gemehrt, bei Laien aber vermutlich für noch mehr Kopfschütteln gesorgt hat. 

Dieses Vorwissen über das "Schwarze Quadrat" ist nicht nötig, um dem gleichnamigen Film von Peter Meister mit großem Vergnügen zu folgen, aber der Spaß wird dank des Gegensatzes zwischen dem Stellenwert des Werks und dem respektlosen Umgang damit noch ein bisschen größer. Im Unterschied zu anderen Gaunerkomödien ist der erfolgreiche Diebstahl des Gemäldes nicht der Höhepunkt, sondern der Beginn der Geschichte; von da an geht es für Vincent (Bernhard Schütz) und Nils (Jacob Matschenz) ziemlich steil bergab. Weil ihr Komplize mit den Tickets für die geplante Flucht auf einem Kreuzfahrtschiff im Stau steckt, müssen die beiden improvisieren. Kurzerhand nehmen sie die Identität zweier anderer Fahrgäste an, nicht ahnend, dass die Herren Teil des Unterhaltungsprogramms sind. Während Nils seine Sache als Elvis-Imitator sogar überraschend gut macht, ist der sechzigjährige dickliche Vincent als junger David Bowie im hautengen Latexkostüm schon optisch bloß eine Lachnummer; von seinem Gesang, der diese Bezeichnung nicht mal ansatzweise verdient, ganz zu schweigen. 

Das klingt nach Klamotte, aber Meister (Buch und Regie) kriegt immer wieder rechtzeitig die Kurve. Das hat er nicht zuletzt seinem Hauptdarsteller zu verdanken: Selbst in den entwürdigendsten Momenten gelingt es Bernhard Schütz, seinem Vincent zumindest einen Rest an Haltung zu bewahren. Für einen Debütfilm ist die Besetzung zudem sehr eindrucksvoll. Die verblüffendste Rolle spielt Sandra Hüller als Vermittlerin zwischen dem Diebesduo und einem russischen Oligarchen, die ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen geht.

Der Deal verläuft allerdings nicht ganz reibungslos, denn den beiden Ganoven ist am Tag vor dem Übergabetermin die Beute abhanden gekommen. Zum Glück kennt sich Vincent, für den Malewitschs Bild die "Befreiung der Kunst vom Ballast der objektiven Welt" symbolisiert, nicht nur in Kunstgeschichte aus: Er ist ein verhinderter Maler, der sich mit seinen Beutezügen am Kunstbetrieb rächt. Kurzerhand erschafft er ein neues Werk, das sich vom Original nur durch den Geruch unterscheidet: Um den richtigen Ton zu treffen, hat er der Farbe etwas Urin beigemischt. Als auch die Fälschung geklaut wird, muss eine weitere Version her, weshalb fortan gleich drei "Schwarze Quadrate" munter den Besitzer wechseln, denn neben der Bordmanagerin (Victoria Trauttmansdorff) wollen sich auch noch Pianistin Mia (Pheline Roggan) und ihr halbseidener Freund Levi (Christopher Schärf) das Bild unter den Nagel reißen. 

Meister hat seine turbulente und mit vielen Slapstickmomenten gewürzte Geschichte sehr abwechslungsreich inszeniert, zumal sich auf einem Kreuzfahrtschiff diverse Gelegenheiten für kleine Abstecher finden. Unter anderem muss Vincent zur Wiedergutmachung seiner peinlichen Gesangsnummer den Eintänzer für einsame ältere Damen geben; tanzen kann er allerdings auch nicht. Der Humor ist stellenweise erfreulich bissig und einige Male auch erfrischend schwarz. Am besten ist jedoch das Finale, als die zwei Ganoven unfreiwillig erneut auf der Bühne landen, kurzerhand in die Rolle zweier Zauberer schlüpfen und die Befragung Levis als Show darbieten, wobei der Gigolo zur atemlosen Hingerissenheit des Publikums allem Anschein nach tatsächlich zersägt wird. 

Es folgt ein haarscharf am Kitsch vorbei inszeniertes romantisches Duett von Nils und Mia; der krönende Abschluss einer Komödie, wie sie in dieser Form hierzulande fast so selten ist wie die "Schwarzen Quadrate" von Malewitsch. Meister, für seine Kurzfilme mehrfach ausgezeichnet, schwebte ein Film vor, der gleichermaßen anspruchsvoll wie auch "extrem unterhaltsam" sein sollte; das ist ihm nicht zuletzt dank der witzigen Dialoge, vieler absurder Ideen, einer ausgezeichneten Ensemble-Leistung, einer großen Musik (Andreas Lucas) sowie der vorzüglichen Kamera- und Lichtarbeit von Felix Novo de Oliveira bestens gelungen.