TV-Tipp: "Conti – Meine zwei Gesichter"

TV-Tipp und Fernsehen
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15. April, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Conti – Meine zwei Gesichter"
"Conti", mutmaßlicher Auftakt einer neuen ZDF-Reihe, bietet der Luxemburgerin Désirée Nosbusch eine große Bühne: Anna Conti hat einen atemberaubenden Absturz hinter sich.

Was war das für ein Comeback! Désirée Nosbusch in der ZDF-Serie "Bad Banks" als Grande Dame der Hochfinanz, deren gewinnendes Auftreten erfolgreich kaschiert, dass sie aus dem gleichen Holz geschnitzt ist wie die Alphatiere der Branche: ein Ereignis, das 2019 zu Recht mit einem Grimme-Preis gewürdigt worden ist. Ihre besten Rollen seither waren Frauen, die sich mit heroischem Trotz gegen ein bitteres Schicksal wehren: eine krebskranke Patriarchin im ZDF-Zweiteiler "Süßer Rausch" (2022), eine verwitwete Polizeipsychologin und trockene Alkoholikerin im "Irland-Krimi" (ARD, seit 2019). "Contis" Absturz wird zunächst jedoch nur angedeutet wird; in Berichten ist von einem Video die Rede, das die einstige Hamburger Star-Anwältin angeblich bei Sexspielen und Drogenkonsum auf einer Party zeigt. 

Der Film beginnt mit einem Alptraum Contis, in dem ihr eine Medienmeute zusetzt, die auch aus Dantes "Inferno" stammen könnte. Ein ähnliches Schicksal erlebt kurz drauf eine Sängerin: Elisabeth "Liz" Jordan (Larissa Sirah Herden) soll ihr 13 Wochen altes Baby in der Badewanne ertränkt haben. Die ehrgeizige junge Staatsanwältin Henriette "Henry" Mahn (Malaya Stern Takeda) unterstellt Liz Vorsatz und niedere Beweggründe. Conti ergreift die Gelegenheit, um ihr Exil zu verlassen: Der Popstar wird ähnlich wie sie Opfer einer medialen Hetzjagd; die öffentliche Meinung hat die Frau längst verurteilt.

"Meine zwei Gesichter" bezieht sich auf ein Lied, das Liz gleich zu Beginn singt, aber die wahre Bedeutung des Titels offenbart sich erst im Verlauf der Verhandlung, die den dritten Akt bildet. Liz ist geständig.

Doch der Fall ist juristisch und psychologisch weitaus komplizierter, als er sich zunächst darbietet; deshalb gibt es reichlich Erklärungsbedarf und entsprechend viel Dialog. Hier tut sich allerdings eine kleine Kluft auf: Einige der jüngeren Mitwirkenden stoßen im Vergleich zu Nosbusch deutlich an Grenzen, was zum Teil auch am Drehbuch (Lucas Thiem, Daniel Schwarz) liegt. Wenig glaubwürdig ist beispielsweise die Figur von Contis Assistent (Maximilian Mundt), der sich in der Kanzlei häuslich eingerichtet und die Büroräume in einen Saustall verwandelt hat.

Nicht immer überzeugend agiert auch Malaya Stern Takeda, was besonders bedauerlich ist, weil die Auseinandersetzungen zwischen der Staatsanwältin und der Starverteidigerin mehr als bloß ein juristisches Duell sind: Henry Mahn hat bis zu dem Skandal für Conti gearbeitet. Auch wenn der darstellerische Vergleich angesichts des Erfahrungsvorsprungs von Nosbusch und erst recht ihrer Ausstrahlung unfair ist: Zwischen den Leistungen der beiden Schauspielerinnen liegt eine Welt. Allzu offenkundig und fast schon plump ist auch der Versuch, die Staatsanwältin ebenfalls mit einem Hintergrundgeheimnis zu versehen. Als Henry ihren Vater (Tonio Arango) besucht, wirft der ihr vor, sie halte sich für was Besseres, aber "du bist und bleibst ein Stück Scheiße, wie die ganze Familie".

Ähnlich undifferenziert ist die Rolle von Liz’ ausschließlich erfolgsorientierter Managerin (Lana Cooper), die aber immerhin interessante Einblicke in die Mechanismen des Musikbusiness gibt. Daniel Sträßer schließlich verkörpert Liz’ Lebensgefährten als ähnlich potenziellen Unhold wie seinen "Tatort"-Kommissar aus Saarbrücken. Drehbuchphrasen wie "Jeder hat Abgründe" passen ins Bild.

Hinzu kommen handwerkliche Schwächen. Nahezu alle aus dem Off eingesprochenen Bemerkungen klingen aufgesagt; das gilt vor allem für die Zitate aus den digitalen Netzwerken zu Verhandlungsbeginn. Zwischenschnitte, die die Reaktionen der Prozessbeteiligten verdeutlichen sollen, als das Drehbuch seinen vermeintlichen Knüller enthüllt, sind ebenfalls wenig geglückt; die gelegentlichen Zeitlupenstudien wirken wie ein Versuch, die optische Ebene aufzupeppen.

Claudia Garde hat zuletzt die ARD-Serie ("Bonn – Alte Freunde, neue Feinde", 2023) gedreht, auch da gab es Momente bei der Bildgestaltung, die den ansonsten ausgezeichneten Gesamteindruck beeinträchtigt haben. Angesichts dieser Kritikpunkte mag es überraschen, dass der Film dennoch empfehlenswert ist, aber die Geschichte ist 90 Minuten lang fesselnd, und Nosbusch verkörpert ihre Rolle mit großer Hingabe. Starke Frauenfiguren jenseits der fünfzig sind in zentralen Rollen in Filmen und Serien rein statistisch zudem nach wie vor deutlich in der Minderheit.