"Alle kennen die Samaritaner, aber keiner weiß etwas von ihnen"

Schmücken einer Zimmerdecke zum Laubhüttenfest mit Plastikobst
© epd-bild/Tim Wegner
Filmemacher Moshe Alafi aus Jerusalem (links) und Kurator David Seles von der Yeshiva University sind mit verantwortlich für die interaktive Sonderausstellung"Respekt! ? Die Samaritaner*innen in der Bibel und heute?".
Bibelhaus zeigt Ausstellung
"Alle kennen die Samaritaner, aber keiner weiß etwas von ihnen"
Jeder weiß, dass Samariter Rettungssanitäter sind. Aber kaum jemand kennt das Vorbild, die biblischen Samaritaner. Eine Ausstellung in Frankfurt stellt die lebendige Religionsgemeinschaft vor. Die Schau "Respekt! - Die Samaritaner*innen in der Bibel und heute" ist vom 1. März bis 28. Mai geöffnet.

Sylvester Stallone spielt einen alternden Superhelden gegen das Böse in dem Film "Samaritan" (2022), auf französischen Apparaten zur Wiederbelebung steht die Aufforderung "Werden Sie ein guter Samaritaner!", ein Wohlfahrtsverband nennt sich Arbeiter-Samariter-Bund. "Alle kennen die Samaritaner, aber keiner weiß etwas von ihnen", sagt der Direktor des Bibelhaus ErlebnisMuseums in Frankfurt am Main, Veit Dinkelaker. Das wolle das Museum ändern. Das Haus zeigt vom 1. März bis 28. Mai die Schau "Respekt! - Die Samaritaner*innen in der Bibel und heute".

Es ist eine der ältesten und kleinsten Religionsgemeinschaften der Erde, die seit zweieinhalbtausend Jahren um ihre Selbstbehauptung und ihr Überleben kämpft, wie Dinkelaker erklärt. Die 850 Mitglieder, die an ihrem "heiligen Berg" Garizim bei Nablus im nördlichen Westjordanland und im Tel Aviver Stadtteil Holon leben, seien eine Gemeinschaft zwischen Juden und Arabern. Ihr heiliges Buch sind die fünf Bücher Mose, geschrieben in ihrer eigenen Schrift, dem ältesten bis heute benutzten Alphabet der Welt. Anders als die Juden seit der Antike haben sie einen Hohepriester, der Tieropfer auf dem Berg Garizim vollzieht. Biblische Traditionen pflegen sie bis heute. Ihre Sprache ist Arabisch.

Filme des Jerusalemer Filmemachers Moshe Alafi, der jahrelang mit Samaritanern lebte, lassen die Gebräuche an sechs Videostationen lebendig werden. "Die Samaritaner sind eine einzigartige Gruppe neben Juden, Christen und Muslimen", sagt der Assistenzkurator David Selis von der New Yorker Yeshiva University. "Die Schau zeigt sie als eine Gemeinschaft, die bis heute lebt." Allerdings gehe unter Vertretern die Angst um, alte Kenntnisse und Fertigkeiten könnten verloren gehen, etwa das kalligrafische Schreiben der Heiligen Schrift.

90 Objekte, darunter wertvolle Handschriften, Drucke, Gemälde und Ikonen führen in die Welt der Samaritaner. Die Schau zeigt auch archäologische Fundstücke der letzten 2.000 Jahre, wie Papyri, Münzen, Amulette und Öllampen. Eine samaritanische Bibelschrift von 1345/46 (Nationalbibliothek Paris) zeigt einen wesentlichen Unterschied zur hebräischen Bibel: Das zehnte Gebot weist in jener die Gläubigen an, einen Opferaltar auf dem Berg Garizim zu bauen. Interaktive Stationen laden ein etwa zum samaritanischen Schmücken einer Zimmerdecke für das Laubhüttenfest oder zum Legen von Wörtern mit samaritanischen Buchstabenkarten.

Die Samaritaner führen sich nach den Worten des Theologen Dinkelaker auf die israelischen Stämme Manasse und Ephraim zurück, die auf dem Gebiet des 722 vor Christus untergegangenen Nordreichs Israel lebten, sowie auf den Tempeldiener-Stamm Levi. Sie verstünden sich als die ursprünglichen Israeliten. Manche Textstellen in ihrer heiligen Schrift würden heute sogar für ursprünglicher als die entsprechenden Textstellen in den hebräischen Bibelschriften gehalten.

Dagegen hätten die Juden mit ihrem Zentrum Jerusalem die Samaritaner für ein unjüdisches Mischvolk gehalten. Fortwährend habe es eine Rivalität zwischen ihnen gegeben. "Die Samaritaner sind Israeliten, aber keine Juden", fasst Dinkelaker zusammen. Von unterschiedlichen Herrschaften verfolgt und unterdrückt, seien sie "aus der Geschichte verschwunden".

Bekannt blieben sie im christlichen Raum durch die Beispielgeschichte Jesu vom "barmherzigen Samariter" (Lukas 10, 25-37). Dessen Abbildung auf historischen Gemälden und alten Bibeldrucken mit Turban, Tarbusch und Krummschwert zeige, dass früheren Zeitgenossen das Anstößige des Beispiels Jesu bewusst war, erklärt Dinkelaker: Im Evangelium ist das Vorbild der Nächstenliebe ein religiös verachteter Ausländer, dort ist das Vorbild ein Soldat des feindlichen osmanischen Sultans.

Die Sonderschau wurde in Zusammenarbeit mit dem Yeshiva University Center for Israel Studies in New York unter der Leitung von Steven Fine und dem Museum of the Bible in Washington D.C. entwickelt. In Frankfurt wird sie in Kooperation mit dem Oldenburger Alttestamentler Benedikt Hensel realisiert. Leihgaben kommen unter anderem aus Israel, New York, Washington, Paris, Fribourg, Berlin, München und Frankfurt.