TV-Tipp: "Nord Nord Mord: Sievers und der große Knall"

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27. Februar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Nord Nord Mord: Sievers und der große Knall"
Ein Toter im Ferienhaus, ein Bilderbuch-Verdächtiger und ein Rachemotiv - dieser Fall hat alles, was er braucht. Doch der Film bleibt nicht auf der Krimiebene. Schade, findet unser Autor.

Wenn dein Garten groß genug ist, hieß es in den Sechzigerjahren in der alten Bundesrepublik, kriegst du irgendwann deinen eigenen Starfighter: weil die Lockheed-Flugzeuge damals reihenweise vom Himmel fielen. In den ländlichen Regionen rund um die Stützpunkte gehörte der typische Knall, wenn ein Düsenjäger die Schallmauer durchbrach, zum Alltag. Mittlerweile ist das Geräusch so selten, dass es wieder für Schlagzeilen sorgt.

Der zwanzigste "Nord Nord Mord"-Krimi verdankt ihm sogar seinen Titel: "Sievers und der große Knall" beginnt tatsächlich mit einem großen Wumms, der die Menschen auf Sylt zusammenfahren lässt. Der Todesfall, den das Kripotrio untersucht, hat damit allerdings zumindest dem Anschein nach nichts zu tun: Ein Mann liegt tot vor seinem Ferienhaus. Jemand hat ihn derart brutal umgestoßen, dass die Rechtsmedizinerin von einer Lokomotive spricht. Bald zeigt sich, dass der zurückgezogen lebende Fremde ein Phantom ist: Friedel Tanner existiert überhaupt nicht.

Das klingt größer und interessanter, als die im Grunde kleine Geschichte tatsächlich ist. Der Mörder, wissen wir seit fünfzig Jahren dank Reinhard Mey, ist ohnehin immer der Gärtner. Der heißt Lasse Möller (Justus Johanssen) und hatte sowohl Motiv wie auch Gelegenheit: Seine Mitarbeiterin und Freundin, die Russin Maria (Irina Potapenko), hat dem Opfer für erotische Fotos posiert, und da Lasse leicht aus der Haut fährt, drängt er sich als Verdächtiger geradezu auf.

Außerdem hat der junge Mann, Firmendevise: "Grüner wird’s nicht", seinen Arbeitgeber um diverse Flaschen eines sündhaft teuren Weins erleichtert. Weil das natürlich viel zu einfach wäre, bringt Drehbuchautor Berno Kürten noch ein Rachemotiv ins Spiel. Diese Abzweigung führt in das russische Dorf, aus dem auch Maria stammt, und in der Tat benehmen sich zwei ihrer Cousins ziemlich verdächtig.

Bislang war "Nord Nord Mord" auch dann sehenswert, wenn die Krimiebene nicht so stark war, aber diesmal gibt es deutliche Abzüge in der B-Note: weil die Umsetzung durch Ole Zapatka fast immer ein Stück "drüber" ist.

Hauptkommissar Sievers (Peter Heinrich Brix) ist ein Meister der nonverbalen Kommunikation; hier muss er auch aussprechen, dass ihn die Belehrungen des besserwisserischen Mitarbeiters Feldmann (Oliver Wnuk) nerven, obwohl das nicht zu übersehen ist. Auch die zuverlässig heiteren Beziehungsszenen von Feldmann und Ina Behrendsen (Julia Brendler)  wirken unnötig ausgespielt und stellenweise fast albern. In diesen Momenten bewegt sich der Film stark in Richtung der Komödienkrimis "Friesland"; bei "Nord Nord Mord" stand bislang jedoch zumeist der Krimi im Vordergrund.

Anlass des Dauerstreits in "Sievers und der große Knall" ist ein Wasserrohrbruch in der gemeinsamen Wohnung, der das Nicht-Paar zum Umzug in zwei Wohnmobile gezwungen hat. Weil Feldmann seine Rücklagen in eine abgestürzte Kryptowährung investiert hat und daher gerade etwas klamm ist, hat der Vermieter der Camper die Unterkunft der Kollegin wieder abgeholt, weshalb sie nun bei ihrem Freundfeind nächtigt, der wiederum, anstatt zu schlafen, ein amerikanisches Online-Seminar für Polizeikräfte verfolgt; nur Krimineulinge werden überrascht sein, dass der Inhalt der Fortbildung – es geht um die Frage, ob Erlebnisse genetisch an die nächste Generation weitergereicht werden – auch mit dem Fall zu tun hat.

Viel zu selten nutzt Zapatka, dessen letzte "Nord Nord Mord"-Episode ("Sievers sieht Gespenster", mit Henning Baum als Männerversteher, 2022) auch bildgestalterisch deutlich interessanter war, die Vorlagen des Drehbuchs für kleine optische Heiterkeiten. "Driving Gag" ist ein Klempner (Rainer Piwek), dessen Auto immer wieder mal durchs Bild braust. Als Behrendsen ihn zu Beginn des Films stellt, inszeniert der Regisseur das "Duell" im Western-Stil um - inklusive "Steppenhexe", Hand auf dem Colt, wiegendem Gang und passendem Blick.

Originell ist auch die Idee, dass das Kripotrio die wahre Identität des Opfers mit Hilfe eines höchst seltenen siebzig Jahre alten Simca-Sportwagens herausfindet. Davon abgesehen hätte dem Film mehr Tempo gut getan, und es ist typisch ZDF, dass Wnuk und Brendler ihren Chat-Verlauf laut vorlesen müssen, obwohl die Nachrichten gut lesbar eingeblendet sind. Andererseits ist selbst eine knapp unterdurchschnittliche "Nord Nord Mord"-Episode dank kleiner Slapstickmomente wie etwa Feldmanns Zweikampf beim Bankbesuch mit einem dieser typischen diebstahlsicher befestigten Kugelschreiber aller Kritik zum Trotz nie Zeitverschwendung.