TV-Tipp: "Der Bozen-Krimi: Die Todsünde"

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16. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Bozen-Krimi: Die Todsünde"
Ins Milieu einer sektiererischen Glaubensgemeinschaft führt dieser Fall Kommissarin Schwartz und ihren Kollegen Kerschbaumer. Der Film überzeugt durch Hintergründigkeit und schauspielerische Leistung.

Wenn sich Filme mit Religion befassen, ist das Ergebnis zumindest aus Sicht gläubiger Menschen meist zwiespältig: Im besten Fall wirken die Figuren schrullig, aber oft genug werden sie auch als Fanatiker dargestellt. Der achtzehnte "Bozen-Krimi" konfrontiert Sonja Schwarz (Chiara Schoras) und ihren Kollegen Jonas Kerschbaumer (Gabriel Raab) mit den sogenannten Sutterern, einer Gemeinschaft, die abgesondert irgendwo in den Bergen streng nach den zehn Geboten lebt und die Errungenschaften moderner Technik strikt ablehnt.

Ackerbau betreiben sie in Handarbeit, Elektrizität haben sie nicht, von Telefon, Fernsehen oder gar dem Internet ganz zu schweigen; Make-up ist verpönt, Schmuck ein Zeichen von Hochmut. Eine derartige Konsequenz mag auf den ersten Blick befremdlich wirken, aber ein Leben im Einklang mit der Natur (und mit Gott) wirkt angesichts der Hektik unserer Zeit wie eine willkommene Alternative - zumindest auf Zeit.

Aus Sicht von Schwarz erscheint die Gemeinde jedoch wie eine patriarchalisch strukturierte Sekte, in der die Frauen tatsächlich nicht viel zu sagen haben. Allerdings ist der Blick der Kommissarin auch nicht ganz unvoreingenommen, denn Drehbuchautor Sven Halfar führt Heldin und Publikum auf einem Umweg ins Dorf.

Der Film beginnt zur blauen Stunde mit einem Babyfund: Jemand hat einen wenige Stunden zuvor zur Welt gebrachten Säugling auf der Schwelle von Schwarz und ihrer Schwiegermutter Katharina (Lisa Kreuzer) abgelegt. Für die Suche nach der Mutter bleibt jedoch keine Zeit, denn in der Wolfsklamm liegt eine tote Frau. Es sieht aus, als habe sie sich von der Brücke in die Tiefe gestürzt, aber ein Kajakfahrer, der die Leiche entdeckt hat, hat einen jungen Mann weglaufen sehen. Tatsächlich ergibt die Obduktion, dass sie gestoßen worden ist.

Es handelt sich um Helena Egger, die wie zu erwarten auch die Mutter des Babys ist. Schwarz erkennt sie nicht, aber die junge Frau hat gemeinsam mit ihrer Schwester auf Katharinas Weingut bei der Lese geholfen. Alles spricht nun gegen Raphael Zuber (Rojan Juan Barani). Helena hat nach ihrer Flucht aus dem Dorf in seiner Wohnung gelebt, und natürlich glaubt Schwarz, er sei auch der Vater des Babys.

Zuber gehörte einst wie das Opfer zur Gemeinde der Sutterer, dort trifft Schwarz nicht nur auf die Eltern (Meike Droste, Bert Tischendorf) der jungen Frau, sondern auch auf das Oberhaupt des Dorfes, dessen fromme Fassade eine rigide Weltanschauung verbirgt: Für Franz De Billio (Oliver Stokowski) ist Sex vor der Ehe "die furchtbarste aller Sünden".

Die Konfrontationen zwischen der kirchenkritischen sowie gerade auch als Frau selbstbewussten Polizistin und dem Priester sind die Schlüsselszenen des Films, weil hier mehr noch als bei den Gesprächen mit den Eltern zwei Weltanschauungen aufeinander prallen. Der Diskurs setzt sich zudem im Revier fort: Kerschbaumer senior (Hanspeter Müller-Drossaart) ist gläubiger Katholik und ein alter Bekannter von De Billio, und während Schwarz beklagt, dass sich die Frauen im Dorf verstaubten Traditionen unterordnen müssten, weist Kerschbaumer junior darauf hin, dass dies doch ihre freie Entscheidung sei.

Der fiktive Gemeindename "Sutterer" ist eine Anspielung auf die vor knapp 500 Jahren von Jakob Hutter in Südtirol gegründete Glaubensgemeinschaft der Hutterer, die unter ganz ähnlichen Bedingungen lebt - heute allerdings größtenteils in Nordamerika. Auch für den religiösen Sender, in dem De Billio regelmäßig predigt, gibt es mit dem österreichischen Radio Maria ein authentisches Vorbild.

All’ das lässt Halfar jedoch angenehm beiläufig einfließen, etwa in Form einer TV-Reportage, die Schwarz im Internet aufruft. Der Autor hat sich zuletzt vor allem als Regisseur hervorgetan, als er mit "Propheteus" (2022) einen überaus vergnüglichen und auch optisch anspruchsvollen "Tatort" aus Münster über die Verschwörungserzählung von außerirdischen Echsenwesen gedreht hat. Regie führte wie schon beim letzten "Bozen-Krimi" Sabine Derflinger. Ihre Inszenierung ist erneut in gutem Sinn routiniert, ohne dabei optische Akzente zu setzen.

Sehr hörenswert ist allerdings die immer wieder von einprägsamen Pianopassagen durchzogene Musik (Thomas Klemm). Sehenswert ist "Die Todsünde" neben der interessanten Handlung vor allem darstellerisch. Oliver Stokowski versieht den Priester mit einer reizvollen Mischung aus Sanftmut und Abgründigkeit, Bert Tischendorf verkörpert den hartleibigen Vater, der seine Kinder eher verstoßen würde, als ihnen zu vergeben, ebenso glaubwürdig wie Meike Droste die von Zweifeln geplagte Mutter.