TV-Tipp: "Tage, die es nicht gab"

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14. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tage, die es nicht gab"
Die Lebensdramen von vier alten Schulfreundinnen stehen im Zentrum dieser Serie - eingerahmt durch einen Mordfall und facettenreich in Szene gesetzt von einem eindrucksvollen Ensemble.

"Hallo Mama": Zwei Worte nur, doch sie genügen, um für erhebliche Verblüffung zu sorgen. Auch darin liegt eine große Stärke von Mischa Zicklers Drehbüchern für diese achtteilige Serie: Sie erzielen durch kleine Ursachen wie etwa eine Notiz mit dem Satz "Ich weiß, was du getan hast" jeweils zum Ende einer Folge größtmögliche Wirkung und schüren auf diese Weise die Neugier darauf, wie es weitergeht.

Die eigentliche Qualität von "Tage, die es nicht gab" resultiert jedoch aus der Kombination von gleich vier Dramen mit einer kriminalistischen Rahmenermittlung. Jede der Hauptfiguren hat eine Bürde zu tragen, aber die Herausforderungen werden erst nach und nach offenbar. Die entsprechende Dramaturgie birgt weitere Überraschungseffekte, weil sich zum Beispiel zum Schluss der ersten Episode herausstellt, dass es sich bei der vermeintlichen Gegenwartshandlung um eine Rückblende handelt.

Teil eins beginnt mit einem schwindelerregenden Kameraflug über einen Stausee und einem Sturz in die Tiefe. Eine Passantin sagt "Das ist ja schrecklich!", die Staatsanwältin erwidert trocken: "Nein." Das klingt hartherzig, hat aber durchaus seine Berechtigung, denn der ums Leben gekommene Mann war ein furchtbarer Zeitgenosse, dem niemand eine Träne nachweint.

Trotzdem muss sich Staatsanwältin Miriam Hintz (Franziska Weisz) einigen unangenehmen Fragen stellen, als eine Wiener Kripo-Majorin (Sissy Höfferer) den Fall drei Jahre später wieder aufrollt. Die Ermittlungen sind damals recht bald eingestellt worden. Es handelte sich offenkundig um einen Suizid, aber der Tote war der Bruder der Innenministerin, und die hat angeblich begründete Zweifel an der Selbstmordthese. Tatsächlich zeigt sich, dass eine gute Freundin Miriams ein beachtliches Motiv hatte, Paul Paulitz umzubringen.

Wäre "Tage, die es nicht gab" ein Film, würde diese Ebene das Zentrum der Geschichte bilden, aber ähnlich wie in der ZDF-Serie "Neuland" mit Franziska Hartmann als Berufssoldatin, die sich nach dem Verschwinden ihrer Schwester um deren Kinder kümmern muss, ist der Kriminalfall nur der Motor, der die Handlung antreibt.

Im Zentrum stehen fortan die Aufgaben, die das Leben den vier Salzburger Schulfreundinnen stellt: Miriam will aus ihrer Ehe ausbrechen, was gar nicht so einfach ist, denn der intrigante Gatte (Andreas Lust) ist Gerichtspräsident und nicht bereit, ihr kampflos das Sorgerecht für die drei gemeinsamen Kinder zu überlassen. Ines (Jasmin Gerat) ist samt französischem Ehemann (Wanja Mues) kürzlich aus Paris zurückgekehrt, denn ihr Sohn Olivier ist dort an falsche Freunde geraten und zum Junkie geworden. Doris (Diana Amft) ist Geschäftsführerin einer großen Spedition, hat aber nichts zu sagen, weil der Betrieb ihrer Übermutter (Jutta Speidl) gehört. Und Christiane (Franziska Hackl) lebt seit einem Schicksalsschlag wie unter einer düsteren Wolke. Ihren damals fast fertigen Roman, "Im Meer der Erwartung", hat sie nie beendet.

Neben der Kombination der verschiedenen Handlungsstränge und den optisch oftmals eleganten Wechseln zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen (Regie: Anna-Katharina Maier, Mirjam Unger) imponiert die Serie vor allem durch die Leistung der Mitwirkenden. Harald Krassnitzer ist gruselig gut als hartleibiger Direktor des Sophianums - jener Eliteschule, die einst auch die vier Freundinnen besucht haben. Damals haben sie sich geschworen, ihre eigenen Kinder nie auf diese Kaderschmiede der österreichischen Führungselite zu schicken; ein frommer Wunsch.

Die erste Szene mit dem Schulleiter zeigt ihn als Riesen aus der Sicht eines kleinen Jungen, den er anschließend auf bedrückende Weise erniedrigen und demütigen wird. Andererseits gibt es immer wieder verblüffende Momente: Miriam beendet einen Streit mit dem Gatten, indem sie mitten in der Waschstraße aus dem Auto steigt und klatschnass, aber würdevoll ins Büro geht.

Sehr witzig sind auch die Dialoge zwischen der Majorin und ihrem jungen Mitarbeiter (Tobias Resch), allenfalls tragikomisch dagegen die Zusammenstöße zwischen Doris und ihrer Mutter - Jutta Speidel hat nur wenige Momente, aber jeder ist ein Auftritt. Zum Ausgleich führt Doris als einzige der vier Freundinnen mit ihrem Mann Sebastian (Rick Kavanian), einem TV-Koch, eine leidenschaftliche Beziehung, die keinerlei Wünsche offen lässt.

Ensembleknüller ist allerdings Niobe Eckert als ihre intellektuell überlegene 15-jährige Tochter Sarah, die die Eltern bei jedem Disput alt aussehen lässt; die Szenen mit der jungen Schauspielerin sind das reinste Vergnügen. Sissy Höfferer sorgt als eigenwillige Ermittlerin ebenfalls für viel Kurzweil, und Etienne Halsdorf gewinnt dem Klischee des zornigen Teenagers Olivier eindrucksvolle Facetten ab.

Leider verliert die Serie in der zweiten Hälfte deutlich an Intensität und Dichte. Thematisch tut sich zunächst nicht mehr viel Neues. Faszinierend bleibt immerhin die Verknüpfung der Ebenen, zumal sich rausstellt, dass ausgerechnet der allseits verhasste schwarzpädagogische Schulleiter in alle Stränge verstrickt ist. Die ARD zeigt die Folgen von "Tage, die es nicht gab" immer dienstags, alle stehen bereits in der Mediathek.