TV-Tipp: "Ostfriesenmoor"

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4. Februar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ostfriesenmoor"
Zum Start der ersten "Ostfriesenkrimi"-Trilogie nach Romanen von Klaus-Peter Wolf gab es sicher Menschen, die die Filme vor allem wegen Christiane Paul eingeschaltet haben.

Bald darauf verabschiedete sich die populäre Schauspielerin jedoch von der Reihe, die Vereinbarung hatte nur für drei Produktionen gegolten. Dass der anschließende erste Auftritt von Julia Jentsch ("Ostfriesengrab", 2020) der bis dahin schwächste Beitrag war, lag keineswegs nur, aber auch an der neuen Hauptdarstellerin. "Ostfriesenangst" (2021) war dann gleich zwei Nummern besser, mit "Ostfriesensühne" (2022) hatte sich Jentsch endgültig etabliert, doch nun ist auch sie schon wieder weg. Mit ihr waren gleichfalls nur drei Episoden vereinbart; für weitere Filme, teilt das ZDF mit, stehe sie aus zeitlichen und familiären Gründen nicht zur Verfügung. 

Glücklicherweise haben Sender und Produktionsfirma mit Picco von Groote eine Nachfolgerin gefunden, die derart nahtlos in die Rolle von Ann Kathrin Klaasen schlüpft, als habe sie die Hauptkommissarin schon immer verkörpert. "Ostfriesenmoor" erreicht zwar nicht ganz die Klasse des letzten Jentsch-Films, aber das ist in erster Linie eine Frage der Inszenierung: Ausgerechnet Thriller-Garant Marcus O. Rosenmüller, dem beispielsweise die zu Beginn eher mäßigen "Taunuskrimis" ein eindrucksvolles Niveau zu verdanken haben, hat seinen ersten "Ostfriesenkrimi" vergleichsweise zurückhaltend umgesetzt. Dass die Episode dennoch Gänsehautmomente zu bieten hat, liegt in erster Linie an Christian Limmer ("Oktoberfest 1900", 2019), der auch schon "Ostfriesenangst" geschrieben hat. Ein Manko ist allein die Überzeichnung einiger Figuren. Davon abgesehen bietet die Geschichte fesselnden Krimistoff: Als im Moor eine weibliche Leiche gefunden wird, führt die Spur alsbald zu einem vermögenden Chirurgen. Doktor Ollenhauer hat eine Stiftung ins Leben gerufen, die sich um gestrauchelte Jugendliche kümmert. Die jungen Leute dürfen unter anderem regelmäßig an einem Segelkurs auf seiner eindrucksvollen Yacht teilnehmen. Dabei hat er sich, wie Klaasen und ihr Partner Weller (Christian Erdmann) alsbald vermuten, im Verlauf feuchtfröhlicher Abende mit Alkohol und Drogen offenbar zu sexuellen Übergriffen hinreißen lassen. Harald Krassnitzer versieht diesen Mann, der zudem auch noch Großwildjäger ist, allerdings mit so viel süffisanter Abgründigkeit, dass Krimifans ihn umgehend von der Verdächtigenliste streichen werden.

Mindestens genauso interessant ist eine zweite Handlungsebene, die mit der eigentlichen Krimihandlung nur am Rande zu tun hat: Klaasens Kollege Rupert (Barnaby Metschurat) verliebt sich Hals über Kopf in die neue Assistentin der Rechtsmedizin. Frauke Thanner erwidert seine Gefühle, was dem Film einige leidenschaftliche Momente beschert, zumal Maria Ehrich die Frau ziemlich hinreißend verkörpert. Ruperts Gefühle haben immerhin zur Folge, dass er seine ausgesprochen nervige ruppige Attitüde ablegt. Weller wiederum entwickelt eine ausgeprägte Feindseligkeit gegen Ollenhauer, noch bevor er den Mann überhaupt zu Gesicht bekommen hat. Darüber hinaus hat Klaasens Lebensgefährte offensichtlich etwas zu verbergen, aber das hat einen durch und durch sympathischen Hintergrund. Zunächst verliert sich der Film jedoch auf einer gänzlich anderen Ebene: Die Zwillingsbabys Ina und Tina sind verschwunden, auf offener Straße und am helllichten Tag. Zu der Moorleiche, zu der sich später noch eine zweite gesellen wird, hat die Entführung nicht nur auf den ersten Blick keinerlei Bezug, aber natürlich hängt wie in allen guten Krimis alles mit allem zusammen. 

Sehenswert ist "Ostfriesenmoor" auch wegen des mitunter gruseligen Blicks für Details. Der Film beginnt mit der Fotopirsch eines Mannes, der seltene Vogelarten fotografiert. Als er ein besonders farbenprächtiges Exemplar erspäht, kommt eine Krähe ins Bild geflogen. Sie landet auf einem Ast und pickt an einer verwesten Hand, die anschließend im Wasser versinkt. Bald darauf gibt es einen ähnlichen Moment, als Klaasen etwas Wasser schöpft und die Leiche der jungen Frau auftaucht. Ansonsten verzichten die Filme jedoch auf die Visionen, die anfangs eine Art Alleinstellungsmerkmal der Reihe waren. Die Kommissarin beobachtet zwar irgendwann vor ihrem geistigen Auge, wie sich Ollenhauer auf der Yacht an der weggetretenen jungen Frau zu schaffen macht, aber das ist nicht zu vergleichen mit den Erscheinungen aus den Auftaktepisoden. Picco von Groote wirkt ohnehin nahbarer als ihre Vorgängerinnen; auch deshalb wäre es schön, wenn nicht ebenfalls nach nur drei Filmen wieder aussteigen würde.