TV-Tipp: "Extraklasse – On Tour"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
12. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Extraklasse – On Tour"
Schauspieler Axel Prahl macht in der "Extraklasse" eine gute Figur. Nicht als Kommissar, sondern als spätberufener Abendschullehrer. Seinen Job als Journalist hat er an den Nagel gehängt. Mit seinem speziellen Humor bringt er nun Gescheiterten den Schulstoff bei. Obwohl er Null Ahnung von Pädagogik hat.

Auch Fernsehkommissare gehen irgendwann in Pension. Axel Prahl ist zwar erst 62 und zeigt als Hauptkommissar Thiel noch keinerlei Abnutzungserscheinungen, aber sollte der "Tatort" aus Münster irgendwann eingestellt werden, hat der Schauspieler beizeiten vorgesorgt: Als Darsteller eines Abendschullehrers hat der Holsteiner den perfekten Rentenjob gefunden. Die 2018 gestartete Reihe "Extraklasse" lässt sich beliebig lang fortsetzen, denn Ralph Friesner bekommt in jedem Jahr neue Schülerinnen und Schüler; und alle bringen ihre eigene Geschichte mit. Die ersten beiden Filme spielten in Berlin-Marzahn, der dritte ist ein Auswärtsspiel. Diesmal erstreckt sich die Handlung über eine Werktagwoche, denn die neue Chefin betraut den ehemaligen Topjournalisten mit einer Spezialaufgabe. 

Schwere Fälle ist Friesner mittlerweile gewöhnt, doch nun ist die Herausforderung noch mal größer, denn die Mitglieder seiner neuen Klasse sind mindestens zweimal gescheitert: das erste Mal in ihrer Jugend auf dem Weg zum normalen Schulabschluss, das zweite Mal beim Besuch der Abendschule.

Friesner hat fünf Tage Zeit, um mit sieben Männern und Frauen unterschiedlichen Alters ein intensives Motivations-Coaching durchzuziehen. Erschwerend kommt hinzu, dass er am Ende zwei Personen bestimmen muss, die auf der Strecke bleiben werden. Das verleiht der gemeinsam verbrachten Woche in einer Brandenburger Jugendherberge eine besondere Dramaturgie, denn natürlich entwickelt sich alsbald eine ganz spezielle Gruppendynamik. 

Ansonsten bleibt Gernot Gricksch dem Muster der früheren Drehbücher treu: "Extraklasse – On Tour" kombiniert die zum Teil bewegenden Schicksale der Gestrauchelten mit den witzigen Erlebnissen des Lehrers. Da Aglaia Szyszkowitz nicht mehr mitwirkt, muss der dritte Film allerdings ohne Romantik auskommen: Nachfolgerin Susanna Simon versieht ihre Version der Schulleiterin mit einer bürokratischen Steifheit, die für Gefühle keinen Platz lässt. Dafür ist Friesners Vermieterin und Mitbewohnerin wieder mit von der Partie: Weil es in der gemeinsamen Wohnung einen Wasserrohrbruch gab, taucht auch die mütterliche Karin in der Jugendherberge auf. Noch hat sie keine Ahnung, dass sich ihr Untermieter längst nach einer eigenen Bleibe umschaut, aber das wird sich selbstredend ändern.

Während Katharina Thalbach die heitere Ebene mit ihrer unnachahmlichen Art fast im Alleingang bestreitet – allein ihre lautmalerische Wiedergabe der Wasserhahngeräusche ist zum Kringeln komisch –, sorgen die Erzählungen der Gruppenmitglieder für die berührenden Momente. Gricksch, der auch die Vorlage zum ersten Film geschrieben hat, war offenkundig viel daran gelegen, gängige Klischees zu vermeiden. Den Rest besorgen die Mitwirkenden, zumal das Ensemble eine gute Mischung aus erfahrenen Kräften und unbekannten Gesichtern darstellt: Nadine Wrietz, meist als "fidele Dicke" besetzt (etwa in der RTL-Serie "Der Lehrer"), spielt eine Frau, die unter ihrem Übergewicht leidet und von Panikattacken heimgesucht wird.

Aram Arami, jüngstes Mitglied des ARD-Trios "Die drei von der Müllabfuhr", verkörpert einen Exil-Iraner, der seine Heimat verlassen musste, weil er schwul ist. Beim ersten Anlauf zum Abendschulabschluss hat ihm außerdem der Alkohol einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zumindest in Teilen deckt sich dieser Lebenslauf mit der tatsächlichen Biografie des gebürtigen Nordirakers: Sein Vater war kurdischer Staatsanwalt, die Familie musste fliehen, als Aram drei Jahre alt war. Eine echte Entdeckung ist Belina Nasra Mohamed-Ali: Faheema kriegt kein Wort über die Lippen, wenn sie zu mehreren Menschen sprechen soll. 

Die schwierigste Rolle hat allerdings Niklas Bruhn: Mirco ist zu seiner Schulzeit ständig gemobbt worden. Prompt dauert es nicht lange, bis er auch in dieser Klasse aneckt, weil er ein unübersehbares Problem mit Frauen hat. Als die Auseinandersetzungen eskalieren, wandelt sich der Film vorübergehend gar zum Krimi. Der heitere Tonfall des Auftakts weicht ohnehin mehr und mehr einer gewissen Dramatik, und das liegt nicht nur an Karin, die zutiefst betrübt ist, dass Friesner hinter ihrem Rücken nach einer neuen Wohnung sucht. Großen Spaß macht allerdings bis zum Schluss der etwas schräge, aber sympathische Herbergsvater (Anton Weber), an dessen Rolle Gricksch garantiert viel Freude hatte. Regie führte Sinan Akkus, der für die ARD unter anderem die Freitagskomödien "Fischer sucht Frau" und "Servus, Schwiegermutter!" sowie fürs ZDF zuletzt die Serie "Wendehammer" (2022) gedreht hat.