TV-Tipp: "Der Spalter"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
23. November, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Spalter"
Es gibt eine einfache Erklärung dafür, warum Populisten so erfolgreich sind: Sie sprechen aus, was viele andere nur denken, gern verbunden mit dem Hinweis, dass man nicht mehr alles sagen dürfe.

Selbst wenn das ein Widerspruch in sich ist. Ihre Theorien lassen sich zwar scheinbar leicht zerpflücken, aber dumm sind diese Menschen meist nicht. Wer nicht mit wohlüberlegten Argumenten in eine entsprechende Auseinandersetzung geht, zieht leicht den Kürzeren. Kein Wunder, dass es Lars (Axel Stein) im Nu gelingt, den auch schon vorher nicht gerade spannungsfreien Grillnachmittag zweier Nachbarpaare zu sprengen. Der Sportwagenfahrer hält Männer für eine vom Aussterben bedrohte Spezies und verdankt seinen vermeintlichen Durchblick einer Hetz-Website ("Abendland vor dem Aus!"), die von einem Clown betrieben wird. Dass sich ausgerechnet ein ökologisch militanter Teenager von seinen reaktionären Monologen überzeugen lässt, setzt dem Drehbuch von Stefan Rogall die satirische Krone auf. 

"Der Spalter" ist ein fast zu schlichter Titel für dieses tragikomische Drama, das an die Handlung von "Streit um Asterix" erinnert. Episodenhauptfigur des Comic-Klassikers ist ein unscheinbares Männchen namens Tullius Destructivus, das mit großem Vergnügen Zwietracht sät und die Menschen in seiner Umgebung mit finsterem Instinkt für wunde Punkte gegeneinander aufbringt. Lars hat ein ähnliches Gespür, zumal es beim Gastgeberpaar ohnehin schon kriselt: Bianca (Marlene Morreis) empfindet es als würdelos, wie sich ihr Mann Oliver (Fabian Busch) erniedrigt, obwohl er Lars nicht leiden kann. Die beiden sind Kollegen, das Unternehmen wird verschlankt, Oliver bangt um seinen Job. Lars ist nicht nur sein Vorgesetzter, sondern auch der Schwager vom Chef, und der hört offenbar auf seinen Rat. Bianca wiederum ist, wie es Lars unüberhörbar süffisant formuliert, auf einem "Selbstfindungstrip": Sie hat ihren Job gekündigt, um sich als Fotografin selbst zu verwirklichen; angesichts vieler Ausgaben und eines noch nicht abbezahlten Hauskredits erweist sich die Last der Verantwortung als Alleinverdiener als zu schwer für Oliver. Beim zweiten Paar, Dila und Simon (Susana AbdulMajid, Sebastian Schwarz), hing der Haussegen wegen Dilas unerfülltem Kinderwunsch ebenfalls schon vorher schief. Anfangs ist Biancas beste Freundin sogar noch ganz angetan von Lars und seinen Ansichten; das ändert sich allerdings schlagartig, als ihre iranischen Wurzeln ins Spiel kommen. 

Axel Stein verkörpert die Titelrolle mit spürbarer Freude an den boshaften Dialogen. Doch bei allem Vergnügen, das sicherlich auch Rogall – er hat unter anderem die Vorlagen für diverse sehenswerte "Wilsberg"-Episoden geliefert – an dieser Figur hatte: Eine Komödie ist "Der Spalter" nicht. Lars ist zwar ein Grenzgänger, aber es war Regisseurin Susanna Salonen offenkundig wichtig, die Rolle nicht ins überzeichnete Extrem abgleiten zu lassen, denn das hätte es dem Publikum zu leicht gemacht, sich von ihr zu distanzieren. So jedoch werden sich womöglich manche dabei ertappen, dass Lars mit seinen Tiraden Aspekte anspricht, die ihnen auch schon durch den Kopf gegangen sind. Natürlich ist der Widerspruch in sich offenkundig, wenn er seinen sexistischen und rassistischen Äußerungen zum Trotz behauptet: "Wenn ich eins nicht leiden kann, ist das Intoleranz"; aber diese absurde Aussage lässt ihn sogar noch realistischer erscheinen. Aus einem ähnlichen Grund wirkt es auch nur scheinbar wie ein Verrat, wenn Rogall diesem Mann unversehens etwas Mitleid gönnt: Lars ist von seiner Frau vor die Tür gesetzt worden. Bei einem Telefonat mit ihr klingt er plötzlich klein und zaghaft, was bei Bianca prompt ein mütterliches Mitgefühl weckt; eine clevere Drehbuchidee, die zur Folge hat, dass die Dinge auf unerwartet blutige Weise eskalieren. 

Auf Kontraste setzt auch die Bildgestaltung: Salonen und Kameramann Daniel Koppelkamm lassen den Film mit seinen freundlichen, warmen Farben wie eine Sommerkomödie aussehen. Tatsächlich hätte die Inszenierung der in Lübeck aufgewachsenen gebürtigen Finnin gern noch ein bisschen bissiger sein können; abgesehen von gelegentlichen ungewöhnlichen Blickwinkeln ist die Umsetzung ebenso zurückhaltend wie der sanfte Jazz, mit dem die Bilder unterlegt sind. Andererseits bereitet die Regisseurin ihrem Ensemble auf diese Weise eine Bühne, die das Quintett weidlich nutzt. Die langjährige Dokumentarfilmerin und Kamerafrau hat zuletzt die kurzweilige Komödie "Ausgerechnet Sylt" (2018, ebenfalls fürs ZDF, ebenfalls mit Busch) gedreht. Wer zu Beginn genau hinschaut, wird am Ende auch problemlos den Hinweis auf die Identität des Clowns entschlüsseln.