Sexualisierte Gewalt besser aufarbeiten

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Die Ratsvorsitzende der EKD Annette Kurschus stellt auf der Synode in Magdeburg den Bericht des Rates der EKD vor.
Bericht des Rates der EKD
Sexualisierte Gewalt besser aufarbeiten
Trotz Fortschritten bei Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sieht die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, noch Handlungsbedarf in ihrer Kirche. Außerdem verwies sie auf die Dringlichkeit der Klimafrage und weitere Punkte.

"Wir sind noch längst nicht an dem selbst gesteckten Ziel angekommen, wo Schutzkonzepte allerorten selbstverständliche Grundlage sind", sagte Kurschus am Sonntag in ihrem Bericht vor der EKD-Synode in Magdeburg. "Das Gleiche gelte für Verfahren nach professionellen Standards zur Intervention und Aufarbeitung, "die betreffende Personen beteiligen und auf die sich alle Beteiligten verlassen können".

Die westfälische Präses sagte, sie erschrecke darüber, wie viel Mut es nach wie vor brauche, grenzverletzendes Verhalten anzuzeigen und sexualisierte Gewalt als solche zu benennen. Als ein Beispiel für einen Fortschritt im Umgang mit Missbrauch nannte sie die nach ihren Worten zunehmend konsequente Umsetzung der Gewaltschutzrichtlinie der EKD.

"Und doch erleben Betroffene mancherorts eine im buchstäblichen Sinne fragwürdige Aufarbeitung dessen, was sie erleiden mussten", sagte Kurschus. Leitungsverantwortliche brächten teilweise nicht den Mut zu konsequentem Handeln auf, und Betroffene erführen, dass ihnen nicht geglaubt werde.

Die Ratsvorsitzende sprach von einer "Sündenverstrickung", die sich erschütternd konkret und schonungslos in der sexualisierten Gewalt zeige. Sie nahm alle Mitglieder der Kirche in die Pflicht, dagegen anzugehen. Die Sünde betreffe nicht nur einzelne Täter und Täterinnen, "wir alle sind darin verstrickt", sagte sie.

Die EKD hat in diesem Jahr ein neues Format zur verbindlichen Beteiligung Missbrauchsbetroffener an Entscheidungen zu Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche eingerichtet, um zu Verbesserungen zu kommen. Ein ursprünglich eingerichteter Beirat war zuvor gescheitert. Bei der bis Mittwoch in Magdeburg tagenden Synode steht auch das Thema Missbrauchsaufarbeitung für Dienstag auf der Tagesordnung.

Konsequenter gegen Klimawandel eintreten

In ihrem Bericht ermutigte Kurschus zudem die Menschen zu einem konsequenteren Einschreiten gegen den Klimawandel. Sie halte die Klimafrage für eine der wichtigsten Fragen überhaupt. So könnten Kriege, Hunger und Terror zwar Millionen Menschenleben auslöschen. "Die ungebremste Erderhitzung aber, die setzt die Bedingung der Möglichkeit menschlichen Lebens überhaupt aufs Spiel", unterstrich sie. die Erderhitzung schränke auch die Möglichkeiten ein, überhaupt noch Politik im Sinne von Demokratie zu machen, denn die Entscheidungsspielräume würden immer enger.

Sie warnte zugleich davor, Fragen nach Frieden und Sicherheit gegen Fragen des Klimaschutzes und der Bewahrung der Schöpfung aufzurechnen. "Klima- und Sicherheitspolitik, die ihren Namen verdient, wird nie zu Lasten, sondern stets zugunsten der Armen in aller Welt und auch zugunsten der Armen in unserem Land geschehen müssen." 

In ihrem Bericht verwies die Ratsvorsitzende auf eine Falle. Nämlich die Frage nach dem Bedeutungsschwund der Kirche, weil weniger als 50 Prozent Mitglied in einer Kirche in Deutschland sind. Die Frage verführe dazu, "permanent um die eigene Relevanz zu kreiseln". Denn: "Eine Kirche, die immer wieder erklärt, wozu sie da ist und gebraucht wird und wer und wie viele sie gut finden und warum, langweilt und verliert ihren Charme", sagte Kurschus. Ein solches Kreiseln verursache eine "angestrengte, hektische, von Sorge um den eigenen Erhalt und von Angst vor dem eigenen Untergang" geprägte Stimmung.   

Der vierte Aspekt in dem Ratsbericht drehte sich um die Krise, die der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine weltweit ausgelöst hat. Diese Krise sei so tief, dass sie alles, auch die Kirchen in Deutschland, unweigerlich ansauge und fordere. Man könne nicht zuschauen, sondern müsse sich der Verantwortung stellen. "Wir sind nicht Kriegspartei, aber wir sind parteilich für die unendlich leidenden Menschen in der Ukraine", sagte die Ratsvorsitzende.