TV-Tipp: "Laim und das Hasenherz"

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29. August, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Laim und das Hasenherz"
Krimis, in denen eine ferne Vergangenheit rachsüchtig ihr welkes Haupt reckt, haben oft einen besonderen Reiz. Das gilt auch für den fünften Film mit Max Simonischek als Lukas Laim, coolster Kommissar im deutschen Fernsehen.

In "Laim und das Hasenherz" ist die Fallhöhe sogar außerordentlich hoch: Bei dem Mann, der von einem Ereignis aus seinen Jugendjahren eingeholt wird, handelt es sich um den mutmaßlich nächsten bayerischen Ministerpräsidenten. Doch auch die Gegenwart macht Maximilian Kronberger (Thomas Loibl) zu schaffen: In seinen Ansprachen verspricht er nicht nur, die europäischen Grenzen dichtzumachen, er inszeniert sich zudem als Bewahrer ungeborenen Lebens; aber nun ist ausgerechnet seine eigene Tochter (Lilia Herrmann) ungewollt schwanger geworden und will abtreiben. Als die rebellische neunzehnjährige Karoline eines Nachts spurlos verschwindet, glaubt der Politiker ebenso wie Laims Chef (Heinz-Josef Braun), das Mädchen sei auf einer Party versackt. Mit seiner Gelassenheit ist es schlagartig vorbei, als er eine anonyme Nachricht aus der Vergangenheit erhält: Irgendjemand weiß, was er damals getan hat, und droht nun, sein Kind werde "enden wie meins", wenn er seine Tat nicht gestehe.

Geschickt baut das ohnehin raffiniert konzipierte Drehbuch (Catharina Steiner, Scott Perlman) die Spannung auf mehreren Ebenen auf. Die Handlung beginnt wenige Tage vor der Landtagswahl. Ein entsprechender Countdown sorgt dafür, dass sich die Schlinge um Kronbergers Hals immer enger zuzieht. Über allem schwebt natürlich die Frage, was vor 25 Jahren passiert ist, zumal die nach und nach preisgegebenen Details die Neugier zusätzlich schüren. Was immer sich Kronberger hat zu schulden kommen lassen, er war nicht allein: Hannes Baumann (Martin Brambach), Schönheits-Chirurg mit eigener Klinik, und Alois Schwarz (Stefan Merki), ehemaliger Polizist und heute Besitzer einer Sicherheitsfirma, waren ebenfalls beteiligt. Auch sie haben bedrohliche Nachrichten bekommen, auch ihre Kinder sind verschwunden und auf einem einsamen Hof irgendwo in der Einöde eingesperrt. Laim hat zunächst überhaupt keine Lust, sich um die verwöhnten Teenager irgendwelcher Honoratioren zu kümmern, aber als Baumanns Tochter tot in einem Container gefunden wird, kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass hier jemand eine alte Rechnung begleichen will.

Die Krimiebene ist fesselnd und dank der frostigen frühwinterlichen Aufnahmen auch optisch reizvoll (Bildgestaltung: Andreas Zickgraf). Die Musik hebt sich ebenfalls deutlich von anderen Produktionen dieser Art ab: Komponist Dirk Leupolz untermalt die Aufnahmen über weite Strecken mit einem wenig melodiösen Klangteppich, gibt zwischendurch aber auch kräftig Gas, als es während einer Wahlkampfveranstaltung zu einer angemessen temporeich inszenierten Verfolgungsjagd hinter den Kulissen des als Schauplatz selten genutzten Olympiaparks kommt. Trotzdem ist es letztlich die Hauptfigur, die den wesentlichen Unterschied macht: Laim, der einer Prostituierten (Vanessa Eckart) tausend Euro nur fürs Zuhören bezahlt, wirkt selbst wie ein düsterer Rächer. Außerdem ist es pikant, dass er gegen Seinesgleichen ermitteln muss, denn Kronberger war ein Freund der Familie. Laims Mutter hat die Partei des Kandidaten nach Ansicht des Polizisten allzu großzügig unterstützt. Ihr kürzlicher Tod macht dem Kommissar offenkundig stärker zu schaffen, als er geglaubt hätte. Als er sich in einer Billardkneipe mit lautstarken Gästen anlegt, ist er fortan auch physisch derangiert; später nehmen ihn zu allem Überfluss noch Kronbergers Leibwächter in die Mangel. 

Für den einzigen Lichtblick im Privatleben des Polizisten sorgt neben Freund und Partner Simhandl (Gerhard Wittmann) die Psychologin Anna Jacobi (Marie Leuenberger). Michael Schneider, der bislang sämtliche Episoden gedreht hat, nutzt die subtilen Flirts, um dem  Krimi kleine romantische Erholungspausen zu gönnen. Anna ist Schwangerschaftskonfliktberaterin, zu ihr kommen Frauen, die abtreiben wollen; für einen TV-Krimi ein ungewöhnliches, aber nicht nur wegen der Diskussion um das von Abtreibungsgegnern behauptete "Post Abortion Syndrom" sehr interessantes (Tabu-)Thema. Clever wie die gesamte Story ist schließlich auch der doppelte Epilog, der die Krimiebene mit einem grimmigen Schluss versieht und für Laims Privatleben eine mögliche Wende andeutet.