TV-Tipp: "Verschwörungswelten"

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3. August, ZDFinfo, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Verschwörungswelten"
Verschwörungstheorien und ihre "Gläubigen" - spätestens seit Corona ein Dauerthema. Die dreiteilige Dokumentation behandelt das Phänomen ausführlich, differenziert und beleuchtet die verschiedensten Aspekte.

Vermutlich sind Verschwörungserzählungen so alt wie die Menschheit. In einem nennenswert größeren Rahmen gibt es sie jedoch erst seit gut zweihundert Jahren. Eine Ursache ist ausgerechnet die Aufklärung: Früher genügte es, wahlweise Gott oder den Teufel als Urheber rätselhafter Phänomene zu benennen. Als die Vernunft eine immer größere Rolle spielte, begannen die Menschen, nach anderen Ursachen zu suchen.

Beliebtester Sündenbock war zunächst der Orden der Illuminaten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandelte sich die in Mitteleuropa ohnehin weit verbreitete Abneigung gegen Juden zum konkreten Antisemitismus, der bis heute den Kern vieler Verschwörungsmodelle bildet. Corona hat ihnen neuen Zulauf beschert; und darum geht es in der dreiteiligen Dokumentation "Verschwörungswelten" von ZDF und ORF.

David Moya und Erika Otto stellen Männer und Frauen vor, die überzeugt sind, die Covid-19-Pandemie sei in Wirklichkeit eine "Plandemie" und das Virus mit Absicht in die Welt gesetzt; zu den Drahtziehern zählt ihrer Ansicht nach unter anderem Bill Gates.

Die meisten Menschen kennen solche Personen; in vielen Fällen haben die entsprechenden Debatten dazu geführt, dass Freundschaften zerbrochen sind und Geschwister oder Eltern und Kinder nicht mehr miteinander reden. Auch diesen Aspekt berücksichtigen die drei Episoden, und darin liegt ihr eigentlicher Mehrwert.

Als besonders ergiebige Interviewpartnerin erweist sich eine Psychotherapeutin von der österreichischen Bundesstelle für Sektenfragen. Sie wirkt in allen drei Folgen mit und appelliert ebenso wie ein früherer Rechtsextremist sowie eine AfD-Aussteigerin in den weiteren Episoden an die Zuschauerinnen und Zuschauer, in Kontakt zu bleiben und weiterhin das Gespräch zu suchen, weil Freunde und Angehörige oft eine Art letzter Anker für die Verschwörungsanhänger seien.

Im ersten Teil geht es außerdem um dubiose Heilmethoden. Teil zwei dreht sich um eine Initiative des Weltwirtschaftsforums, die Pandemie als Weckruf zu betrachten und die globale Ökonomie gerechter, sozialer und nachhaltiger zu gestalten; das entsprechende Verschwörungsmodell sieht dahinter den Plan, eine Weltdiktatur zu errichten. Der dritte Beitrag stellt das fünf Jahren in die Welt gesetzte "QAnon"-Gerücht vor: Auch hierzulande sind Menschen überzeugt, eine satanische Elite, die sämtliche Regierungen unterwandert habe, entführe Kinder und gewinne aus deren Blut ein Verjüngungsserum.

Zentrale Protagonistin zum Auftakt ist eine Österreicherin um die sechzig, die einen durchaus vernünftigen Eindruck macht, sich jedoch nicht davon abbringen lässt, dass Gates und Konsorten mit Hilfe von Corona auf teuflische Weise die Weltbevölkerung dezimieren wollen. Stutzig wurde sie, als sie in einem Video zwischen italienischen Leichensäcken einen Mann entdeckte, der offenkundig noch recht lebendig war. Anschaulich führen Moya und Otto nun mit Hilfe vieler Ausschnitte aus den einschlägigen Internetplattformen vor Augen, wie ein Dominostein den nächsten zum Kippen bringt.

Gerade bei Menschen, die prinzipiell gegen jede Impfung sind, fielen die zum Teil absurden Mutmaßungen aus den Videos auf fruchtbaren Boden, selbst wenn die "Beweisführung" mitunter haarsträubend ist: Eine Frau hält sich einen Magneten an den Oberarm, der dort prompt haften bleibt, um zu belegen, dass ihr mit dem Corona-Impfstoff auch ein Chip eingesetzt worden ist. Er enthält angeblich ein tödliches Gift, das via Satellit jederzeit freigesetzt werden kann. Was wie der Stoff aus einem zweitklassigen Science-Fiction-Film klingt, halten erschreckend viele Menschen für eine Tatsache.

Schon der clever gestaltete Vorspann mit Dutzenden von Schlüsselbegriffen greift das verbindende Element sämtlicher Verschwörungsmodelle auf: Alles hängt mit allem zusammen, nichts ist, wie es scheint; und was sich ereignet, geschieht niemals zufällig. Die Theorien der "Plandemie"-Anhänger erfüllen diese Bedingungen perfekt.

Die Psychotherapeutin erläutert, warum solche Menschen immer stärker in eine Spirale geraten: weil sie ihr Informationsbedürfnis nur noch durch Quellen stillen, deren Fakten ihr Weltbild bestätigen; Tageszeitungen oder öffentlich-rechtliches Fernsehen konsumieren sie hingegen gar nicht.

Früher galten solche Leute als harmlose Spinner, heute sind sie durchs Internet miteinander vernetzt. Und es werden immer mehr, zumal rechtsextremistische Parteien wie die AfD, die unter anderem leugnet, dass der Mensch am Klimawandel schuld ist, die Bühne des Bundestags nutzen, um die kruden Theorien zu verbreiten. ZDFinfo zeigt alle Folgen am Stück.