Schüler werden zu Stille-Scouts ausgebildet

© Kai Mehn
Die "Stille-Scouts" fühlen sich stark wie ein Baum: Im Wald bei Neustadt an der Weinstraße lernen Teilnehmende aus Edenkoben und Speyer mit Karin Kienle von der Evangelischen Jugend der Pfalz Übungen zur Entspannung oder Meditation kennen.
Kraft tanken gegen Stress
Schüler werden zu Stille-Scouts ausgebildet

Sie wollen ihren Mitschülern meditative und spirituelle Angebote machen, damit diese zur Ruhe kommen können. Die Pfälzer Kirche und das Bistum Speyer bieten dafür Schülerinnen und Schüler aus Edenkoben und Speyer eine besondere Fortbildung an.

 "Tief einatmen, mit den Händen die Luft einsaugen", sagt Karin Kienle. 13 Schülerinnen und zwei Schüler tun es der Referentin der Evangelischen Jugend der Pfalz und Monika Schuster von der Schulabteilung des Bistums Speyer gleich: Sie strecken die Hände hoch über den Kopf, schließen teilweise die Augen. Über und neben ihnen zwitschern Blaumeisen und Buchfinken im Geäst der Bäume, während sich die Arme mit einem Ausatmen wieder senken. Schließlich "entwurzeln" sich die Schüler wieder, schütteln Arme und Beine aus, lockern sich.

Ruhe finden, entspannen, aber auch Kraft schöpfen, dabei geht es bei der Wahrnehmungsübung Baum im Wald neben dem Herz-Jesu-Kloster in Neustadt an der Weinstraße. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Edenkoben in der Südpfalz und des Nikolaus-von-Weiß-Gymnasiums Speyer machen sich zwei Tage lang auf den Weg, um Übungen zur Entspannung oder Meditation kennenzulernen sowie spirituelle Impulse aufzugreifen.

"Räume der Stille" gegen Angst und Stress

Hintergrund sind die so genannten "Räume der Stille", die seit 2014 auf Initiative von Landeskirche und Bistum eingerichtet wurden. 31 sind es inzwischen pfalzweit, mehr Schulen würden sie gerne einrichten, haben aber keinen Platz. In den Räumen können Schüler zur Ruhe kommen, teilweise machen Lehrkräfte meditative oder spirituelle Angebote. Oft aber seien sie mangels Betreuung geschlossen, berichtet Kienle.

Die Stille-Scouts wiederum könnten in ihrer Freizeit Mitschülern solche Angebote in der Schule machen. Und nicht nur vom Schulstress fänden sie hier Ablenkung. "Kinder und Jugendliche haben Angst, sehen nicht viel Licht momentan", sagt Kienle mit Blick auf die Coronakrise und den Ukrainekrieg. Es gehe darum, Kraft zu tanken, sich selbst zu stärken, im Hier und Jetzt zu sein.

Zu Beginn schickt Monika Schuster die Jungen und Mädchen mit dem Auftrag in den Wald, mit einem Gegenstand zurückzukehren, der ihre Motivation widerspiegelt. Lisa kommt mit einer Vogelfeder zurück. "Sie bedeutet Freiheit für mich, mal an was anderes zu denken als immer nur die Noten", sagt die 16-Jährige, die in Edenkoben gerade in die Oberstufe gekommen ist. Die jüngere Tessa hat zu einer Esskastanienschale gegriffen. "Ich merke, wenn es jemandem an der Schule nicht gut geht, will das ändern", sagt die Achtklässlerin.

Später lassen sich die Schülerinnen und Schüler zum Klang von Windspielen auf eine Fantasiereise zu eigenen "Kraftorten" ein, legen zum Thema Frühling ein Mandala. Nicht bei allem fühlen sich die Schüler entspannt. Wichtig sei am Ende, solche Übungen auszuwählen, die einem selbst helfen, sagt Kienle. Diese könnten dann auch überzeugend anderen angeboten werden. Kienle überrascht die Schüler mit Power Yoga, das die Teilnehmer an ihre körperlichen Grenzen bringt. "Still sein heißt nicht unbedingt nichts tun und still sein", sagt Kienle, "sondern sich auf eine Sache zu konzentrieren, im Moment zu sein."

Schüler:innen geben inneren Frieden weiter

Elf Schulen haben an der Stille-Scouts-Ausbildung, die 2020 mit dem Innovationspreis der Landeskirche ausgezeichnet wurde, Interesse gezeigt. Drei Schulen sind seit Herbst 2021 dabei. "Das wird definitiv über mehrere Jahre gehen", sagt Kienle, der mit ihrer Kollegin ein Netzwerk mit Folgefortbildungstagen zu Themen wie Angst oder Kraft vorschwebt. Den bereits geschulten Stille-Scouts der Maria-Ward-Schule Landau geben Kienle und Schuster derzeit Starthilfe vor Ort.

Die Religiosität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sei zweitrangig, sagt Kienle, auch wenn es Elemente gebe, die im Christentum wurzelten. Vor allem aber könne man "Frieden nur schaffen, wenn man mit sich selber Frieden geschlossen hat", so Kienle. Und indem die Schüler weitergeben, was sie selbst trägt, sei das Projekt letztlich doch Kirche - "nicht von oben herab, sondern aus ihnen heraus". Bäume eben, die Wurzeln schlagen.