TV-Tipp: "Ein Wochenende im August"

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11. Juni, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ein Wochenende im August"
Auf den ersten Blick erzählen Katharina Amling (Buch) und Esther Gronenborn (Regie) mit "Ein Wochenende im August" eine klassische Liebesgeschichte.

Dorfgrundschullehrerin Katja (Nadja Uhl), glücklich verheiratet, lernt zufällig den Reisejournalisten Daniel (Carlo Ljubek) kennen, der bei seiner Wanderung quer durch Deutschland an ihrem Haus vorbeikommt. Der Gatte (Thomas Limpinsel) ist übers Wochenende bei einer Tagung, die Tochter (Amelie Herres) mit einer Freundin zelten, außerdem haben gerade die Sommerferien begonnen - Gelegenheit macht Liebe. Gronenborn und Kamerafrau Birgit Gudjonsdottir illustrieren diese Ebene mit traumhaft schönen Bildern.

Gedreht wurde in der Lüneburger Heide, viele Luftaufnahmen lassen den Film regelrecht in den prachtvollen lilafarbenen Erikateppichen schwelgen; kein Wunder, dass die Stimmung an romantische französische Provence-Komödien erinnert. Mit ähnlicher Hingabe erfreut sich die Kamera an der ausgelassen durchs Haus tanzenden Hauptdarstellerin: Die sommerliche Bräune lässt Nadja Uhls Augen noch blauer strahlen als sonst. Kostüm und Ausstattung sind offenkundig das Ergebnis eines durchdachten Farbkonzepts, das ein ebenso stimmiges wie behagliches Gesamtbild ergibt; das umgebaute Bauernhaus des Ehepaars ist ohnehin ein Traum.

All’ das aber ist bloß die eine Seite des Films (eine Wiederholung aus dem Jahr 2019). Die andere sorgt dafür, dass "Ein Wochenende im August" mehr ist als bloß eine schön gespielte Sommerliebelei, denn Daniel rührt an einen wunden Punkt: Der Weltenbummler berichtet von seinen Reisen und ruft auf diese Weise Erinnerungen in Katja wach. Die Lehrerin war einst Mitglied einer Rockgruppe, die war sogar an der amerikanischen Ostküste auf Tournee, aber dann hat sie sich für ein geregeltes Dasein entschieden; zusammen mit den Erinnerungen erwacht auch die ungestillte Sehnsucht.

Amlings Geschichte, die im Übrigen kräftig an Clint Eastwoods Liebesfilm "Die Brücken am Fluss" (USA 1995, mit Eastwood und Meryl Streep) erinnert, ist daher in gewisser Weise ein Fallbeispiel für den sogenannten Zeigarnik-Effekt: Vor knapp hundert Jahren hat die Psychologin Bljuma Zeigarnik die Theorie aufgestellt, dass unerledigte Aufgaben stärker im Gedächtnis bleiben als Dinge, die man zu Ende gebracht hat: weil die aufgebaute Spannung nie abgebaut worden ist. Aus ähnlichem Grund denken Sportlern stärker über verpasste Chancen oder ungenutzte Gelegenheiten nach als über ihre Erfolge; und natürlich lässt sich das auch auf das Leben im Allgemeinen übertragen. 

Der Film ist allerdings weit davon entfernt, zum Psychologieseminar zu werden. Amling und Gronenborn lassen diese Ebene im Subtext mitschwingen, selbst wenn die Sehnsucht deutlich in Nadja Uhls Gesicht zu erkennen ist. Deshalb wirkt es nicht unplausibel, dass sich die Lehrerin auf die Affäre einlässt. Auch dies schildert der Film glaubwürdig: Bei der ersten Begegnung, als Katja durch die Heide nach Hause radelt, macht der Fremde zu ihrem großen Ärger ungefragt Fotos von ihr. Kurz drauf steht er vor der Haustür und weckt nun doch ihre Neugier.

Daniels Bitte, im Garten ein Zelt aufbauen zu dürfen, lehnt sie erst ab, dann erlaubt sie’s doch; seine Einladung zum Abendessen nimmt sie ebenfalls an. Der Reisejournalist beschreibt, wie lebendig er sich fühlt, seit er vor einigen Jahren seine Wurzeln gekappt hat, sie erzählt von ihrer Zeit als Musikerin. Seine Frage, ob sie es nie bereut habe, ihren Traum aufzugeben, beantwortet sie mit nein; ihr Gesicht sagt etwas anderes. 

Trotz dieser unterschwelligen Drama-Ebene ist "Ein Wochenende im August" in erster Linie heiter: Auf eine gemeinsam geleerte Flasche Wein folgt ein nächtlicher "Einbruch" in der Schule, weil Daniel darauf besteht, dass Katja ihre Gitarre holt. Richtig ernst wird die Affäre, als sich der Wanderer tags drauf schon wieder auf den Weg gemacht hat und sie ihn an einem See in der Nähe einholt. Nun wandelt sich der Film zur romantischen Komödie: Erst bricht Nadja ein bisschen in Panik aus, weil eine ihrer Schülerinnen samt Eltern an den See kommt, dann muss sie Daniel vor ihrer Schwiegermutter (Gitta Schweighöfer) verstecken. Körperlich ist bis jetzt zwar noch nichts passiert, aber spätestens der lyrisch gefilmte Unterwassertanz des Paares lässt keinen Zweifel daran, wie stark sich die beiden zueinander hingezogen fühlen. 

Gronenborn hat vor vielen Jahren mit ihrem Debüt "alaska.de" (2000) auf sich aufmerksam gemacht, ein düsteres Berlin-Drama im Dogma-Stil. Zuletzt hat sie mit Uhl "Ich werde nicht schweigen" (2018) gedreht, ein auf wahren Begebenheiten basierendes Krimidrama über eine Weltkriegswitwe, die ein abscheuliches Verbrechen aufdeckt; Hintergrund der Handlung waren Euthanasie-Morde, die während des Zweiten Weltkriegs im niedersächsischen Wehnen begangen worden sind. Allerdings hat die damals auch am Drehbuch beteiligte Regisseurin das Potenzial der komplexen Geschichte bei Weitem nicht ausgenutzt. Das ist diesmal trotz der eher überschaubaren Handlung ganz anders, zumal es dem Film mehrfach gelingt, widersprüchliche Gefühle ganz ohne Worte mit einer einzigen Einstellung zu verdeutlichen. Und so ist "Ein Wochenende im August" auch dank der schönen zärtlich-sanften Musik (Gert Wilden jr.) ein immer wieder durch kleine komödiantische Einlagen ergänzter Film voll unbeschwerter Lebensfreude, in dem die Heldin schließlich vor der gleichen Entscheidung steht wie vor gut zwanzig Jahren: gehen oder bleiben?