TV-Tipp: "München Mord: Wir sind die Neuen"

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10. Mai, Neo, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "München Mord: Wir sind die Neuen"
Der Titel klingt wie die Addition zweier Schlüsselbegriffe, die man bei einer Internet-Suchmaschine eingibt. Tatsächlich nennt "München Mord" schlagwortartig die beiden wichtigsten Komponenten der 2015 gestarteten ZDF-Samstagsreihe beim Namen.

Es geht um Krimis, und sie spielen in München, was tatsächlich mehr als bloß eine Erwähnung wert ist, und das nicht allein, weil es dank Freitagsklassikern wie "Der Kommissar" oder "Derrick" eine enge Krimiverbindung zwischen dem "Zweiten" und München gibt. Die "Amigo"-Geschichten zum Beispiel, die das ZDF bis vor einigen Jahren in den Samstagskrimis "Unter Verdacht" erzählt hat, können sich in dieser Weise nur in der bayerischen Landeshauptstadt zutragen. Schöpfer der Reihe ist Alexander Adolph, der dafür 2003 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden ist. Sein Einfluss ist auch bei "München Mord" (das Drehbuch schrieb er gemeinsam mit Eva Wehrum) unverkennbar. Der Auftaktfilm, den ZDF-Ableger Neo heute wiederholt, lebt von jenem speziellen, stets leicht grimmigen Humor, der auch die München-Krimis von Dominik Graf auszeichnet. 

Besonderes Merkmal der Reihe ist allerdings das zentrale Trio. Die Karrieren der drei Ermittler, für die eigens eine als Abstellgleis gedachte neue Abteilung gegründet wird, ist in eine Sackgasse geraten: Der Chef, Ludwig Schaller (Alexander Held), war früher Leiter der Mordkommission, wird intern jedoch bloß noch "der Irre" genannt; und Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen) ist überhaupt nur deshalb Beamtin, weil sie die Nichte des Polizeipräsidenten ist. Der dritte im Bunde, Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier), macht eigentlich einen ganz ordentlichen Eindruck. Bei ihm war es die Libido, die eine vielversprechende Laufbahn beendete. Damit die drei Gestrandeten was zu tun haben, sollen sie unerledigte und als wahlweise unlösbar oder ausermittelt geltende Fälle zum Abschluss bringen. 

Der Reiz der Reihe liegt naturgemäß darin, dass auch Karteileichen Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein können. So ist zum Beispiel Laura Lancelotti (Julia Koschitz) aus einem Münchener Vorort überzeugt, dass ihr vor Wochen verschwundener Mann keineswegs über Nacht das Weite gesucht hat, wie die örtliche Polizei vermutet, sondern ermordet worden ist. Während der eher rationale Neuhauser die Sache rasch beenden möchte, hat Frau Flierl "ein komisches Gefühl". Sie wagt sich in die Höhle des Löwen, sprich: die einzige Dorfgaststätte, um dem Volk aufs Maul zu schauen. Tatsächlich nimmt sie neben einem Vollrausch auch die Erkenntnis mit, dass die Einwohner dem zugereisten Ehepaar Lancelotti ziemlich feindselig gegenüberstanden. Mehr aus Sympathie für die Kollegin verbeißt sich nun auch Neuhauser in den Fall, aber die Lösung findet sich erst dank der seltsamen Ermittlungsmethoden des Vorgesetzen.

Schon allein die Zusammenstellung des Ensembles ist ausgesprochen gelungen. Der sonst gern als jovialer Schurke besetzte Alexander Held ist ohnehin immer sehenswert, aber auch die Kombination Heerwagen/Mittermeier funktioniert prima. Während der mitunter auch mal brachial agierende Neuhauser für Mittermeier keine besonders ungewöhnliche Rolle ist, darf Bernadette Heerwagen eine Polizistin der etwas anderen Art spielen: Das Selbstbewusstsein der jungen Frau tendiert ebenso gegen Null wie ihr Gesangstalent, was sie nicht davon abhält, auf eine Karriere als Sängerin zu hoffen. Eine Komödie ist der Film trotzdem nicht (Regie: Urs Egger), selbst es immer wieder heitere Momente gibt, zumal das Trio gegen Ende gewaltsam dezimiert zu werden droht. 

Um 22.35 Uhr folgt die zweite Episode, "Die Hölle bin ich". Hier geht es um eine junge Frau, die mit gebrochenem Genick neben einer Leiter liegt. Der Haushaltsunfall ist jedoch nur vorgetäuscht; die Ermittlungen führen das Kellertrio schließlich in große Gefahr, denn der Bruder des Opfers entpuppt sich als wandelnde Zeitbombe. Der Reiz des Films besteht nicht zuletzt in der Besetzung der Gastrollen. Maximilian Brückner mit raspelkurzen Haaren ist beängstigend gut als todkranker Ganove, der nichts mehr zu verlieren hat und Rache für seine Schwester will; der entsprechende Feldzug führt zu einigen Gewalttaten, die nur haarscharf noch jugendfrei sind. 

Noch verblüffender sind allerdings die Szenen mit Jörg Hartmann und Nicole Marischka. Die beiden verkörpern exakt jene Klientel, über die sich der missmutige Schaller in seinem Eingangsmonolog das Maul zerreißt: wohlhabende Neubürger, die dafür sorgen, dass sein geliebtes München "dem Reichtum in den Arsch kriecht". Das Ehepaar Dengler arbeitet im Erotikgeschäft, weshalb Hartmann durch tiefe Solarbräune beeindruckt und Marischka auffällig kurvig wirkt. Noch schöner aber ist das grauenvolle Kunstbayrisch, mit dem sich die beiden als Einheimische ausgeben. Dass sie in Wirklichkeit Schwaben sind, treibt die Ironie auf die Spitze. Die komischen Momente dienen jedoch nur der Auflockerung. Zwischendurch gleicht "Die Hölle bin ich" eher einer düsteren Parabel über die Einsamkeit von Großstädtern. Die Tote hat zwei Wochen unentdeckt in ihrer Wohnung gelegen, und auch die drei Ermittler haben nicht gerade ein florierendes Sozialleben. Wehrum, Adolph und Regisseur Michael Gutmann gelingt es jedoch ganz großartig, den unterschiedlichen Vorzeichen zum Trotz einen Film wie aus einem Guss entstehen zu lassen.