TV-Tipp: "Tatort: Finsternis"

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18. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Finsternis"
Nicht jeder Krimiprolog ist eine Ouvertüre, die das Vorzeichen für die folgenden knapp neunzig Minuten setzt. "Finsternis", ein "Tatort" aus Frankfurt, beginnt wie ein Thriller, doch dann entwickelt sich die Handlung in eine völlig andere Richtung.

Ein junges Pärchen radelt nachts durch den Stadtwald und hört weibliche Hilfeschreie. In der Dunkelheit stolpern die beiden über einen offenbar leblosen Körper. Als sie von einem Mann angegriffen werden, suchen sie in Panik das Weite. Am nächsten Morgen ist die vermeintliche Leiche verschwunden. Weil sich die junge Frau das Kennzeichen eines am Waldrand geparkten Autos gemerkt hat, führen die Ermittlungen zu Ulrich Gombrecht (Uwe Preuss), Lehrer für Chemie an einer Berufsschule. Das Auto gehört seiner Gattin, die er aber gar nicht vermisst, denn sie ist auf dem Weg zu einer Fastenwanderung in den Pyrenäen. Ein Spürhund entdeckt jedoch in einer provisorischen Asthütte in der Nähe des Tatorts nicht nur die Handtasche von Maria Gombrecht, sondern auch das Geld, das sie am Abend zuvor am Bankautomaten abgehoben hat. Die Waldbehausung gehört einem offenbar verwirrten Mann, der Fall scheint geklärt. Doch wenn er die Frau tatsächlich auf dem Gewissen hat: Wo ist die Leiche? Wo ist ihr Auto? Und weshalb enthält ihre Familie SMS-Nachrichten, in denen sie versichert, es gehe ihr gut?

Nach dem fesselnd inszenierten Auftakt wechselt der Film recht bald die Stimmung. Janneke und Brix (Margarita Broich, Wolfram Koch) glauben nicht, dass der Waldmann Maria getötet hat: Lenny (Frank Casali) hat zwar ein Problem mit Frauen, ist aber kein Mörder. Also befasst sich das Duo eingehend mit Familie Gombrecht und stößt prompt auf eine Ungereimtheit: Die jüngere Tochter, Judith (Julia Riedler), eine Theaterregisseurin, war zur Tatzeit nicht etwa in Berlin, wie sie behauptet, sondern bereits in Frankfurt. Außerdem stellt sich raus, dass sie mit der Bankkarte ihrer Mutter zuletzt mehrfach Geld abgehoben hat. Das macht sie zwar nicht automatisch zur Mordverdächtigen, aber die Devise "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" gilt selbstredend auch für die Polizei. 

Wenn es im Krimi um Familien geht, dauert es in der Regel nicht lange, bis düstere Geheimnisse zu Tage treten. Das ist in diesem Fall ganz ähnlich und doch anders. Es stellt sich raus, dass die zweite Tochter, Kristina (Odine Johne), und ihr Mann (Caspar Kaeser) Maria bespitzelt haben. Seine Frau, erzählt Gombrecht, habe kürzlich sehr viel Geld geerbt; womöglich fürchtet Kristina um ihre Erbe. Ulrich Gombrecht wiederum leidet unter einer besonders aggressiven Form von Leukämie, das Ende seiner beruflichen Laufbahn ist nur noch eine Frage der Zeit; und sein eigenes auch. Tatsächlich entdeckt Kristina detaillierte Pläne für ein selbstbestimmtes Sterben. Die Sorge um den Vater und der vorweggenommene Kummer treiben sie sichtbar um, allerdings wirkt ihr Kümmern mehr wie eine Kontrolle; kein Wunder, dass der alte Gombrecht zunehmend genervt von ihrer übergriffigen Fürsorge ist. Trotzdem fragt sich Janneke irgendwann, ob sie und Brix nicht gewaltig an der Nase rumgeführt werden; und darin liegt der Reiz dieses Films. 

Leider sind die Töchter auch dank ihrer Verkörperung durch Odine Johne und Julia Riedler, deren mitunter durchschimmernder österreichischer Akzent bei einem Film aus Frankfurt etwas irritiert, wie typische TV-Rollen geraten: Kunstfiguren, die als Drehbuchentwurf möglicherweise plausibel erschienen, in der Praxis aber realitätsfern wirken. Das gilt auch für die Mutter. Victoria Trauttmansdorff zeichnet sich durch eine mitunter eigenwillig anmutende, ganz spezielle Art aus, die nicht immer zu den Frauen passt, die sie spielt. Ihre Mitwirkung – Tochter Judith schaut sich ein Videointerview an, das sie mit Maria geführt an – sorgt zwar für eine erhebliche Aufwertung der Rolle, aber im Grunde ist Uwe Preuss als zunächst tragische Figur der Geschichte der einzige aus dem Familienensemble, der auch in der Nachbarschaft leben könnte.

Regie führte Petra Lüschow, sie hat auch das Drehbuch geschrieben. Ihr letzter Film war ebenfalls ein "Tatort" aus Frankfurt, nicht besonders spannend zwar, aber dennoch sehenswert. Vordergründig ging es in "Wer zögert, ist tot" (2021) um Frauen, die lernen, ihre Beißhemmung zu überwinden, hintergründig um ein Vater/Sohn-Drama. Beide reichen jedoch nicht an die Qualität ihres Debüts "Petting statt Pershing" (2018) heran, eine kurzweilige Kinokomödie über eine 17jährige Schülerin, die in den frühen Achtzigern aus ihrem Alltag ausbricht.