TV-Tipp: "Donna Leon: Stille Wasser"

Getty Images/iStockphoto/vicnt
9. Juli, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Donna Leon: Stille Wasser"
Mit "Stille Wasser" endet nach über zwei Jahrzehnten die Donna-Leon-Reihe in der ARD. Uwe Kockisch ermittelt ein letztes Mal als Commissario Brunetti – und der finale Fall ist nicht nur eine Hommage an Venedig, sondern auch an das Lebenswerk einer Figur, die viele Zuschauer:innen ins Herz geschlossen haben.

Als die ARD-Tochter Degeto im Herbst 2019 das Ende der Donna-Leon-Verfilmungen bekanntgab, las sich die Pressemitteilung eher wie eine Sammlung von Argumenten für eine Fortsetzung: Die Reihe sei "eine besondere Erfolgsgeschichte", die die Zuschauer "in die italienische Lebensweise und die leidenschaftlich inszenierten Geschichten eintauchen ließ." Auf dieses Stück Fernsehgeschichte könnten alle Beteiligten sehr stolz sein. Selbst auf mehrfache Nachfrage gab es keine Begründung, weshalb diese "Erfolgsgeschichte" dennoch beendet werde.

Tatsächlich ließen sich eine ganze Reihe von Gründen finden, warum die Filme mit Uwe Kockisch als Commissario Brunetti schon damals nicht mehr zeitgemäß waren, aber für die ARD zählen erfahrungsgemäß in erster Linie die Einschaltquoten, und die waren nach wie vor respektabel. Die Krimis lagen regelmäßig und zum Teil deutlich jenseits der Sechs-Millionen-Marke; das ist mit Ausnahme des "Tatort" weit mehr, als sonstige Reihen erreichen. 

Andererseits sind die Filme schon seit geraumer Zeit eine Art "Sightseeing mit Krimifaktor"; viele Menschen schauen sich die Produktionen vermutlich in erster Linie wegen der schönen Venedigbilder an. Auch "Stille Wasser", der 26. und letzte Film, erfüllt diese Erwartungen, selbst wenn die Handlung größtenteils auf der Laguneninsel Sant’Erasmo spielt: Brunetti ist nach einem Kreislaufkollaps krank geschrieben worden und soll Aufregung tunlich vermeiden. Also verbringt er die Zeit beim entspannten Rudern mit dem Bienenzüchter Casati (Hermann Beyer), der sich als früherer Freund seines Vaters entpuppt. Als der Mann während eines Sturms verschwindet, ist der Urlaub für den Commissario beendet: Der Bienenzüchter war überzeugt, dass die einheimischen Biobetriebe heimlich mit Pestiziden arbeiten, und hatte daher ständig Ärger mit den Gemüsebauern; natürlich will Brunetti der Sache auf den Grund gehen.

Im Frühjahr jenes Jahres hatte Uwe Kockisch in einem Interview noch versichert, ein Ende der Reihe sei "nicht in Sicht". Ob er da schon wusste, dass der bereits 2018 gedrehte Film der letzte gewesen ist, sei dahingestellt; es ging ohnehin mehr um die Frage, wie glaubwürdig er mit seinem 75 Jahren noch eine Figur verkörpern könne, die deutlich jünger ist. Mag sein, dass das Alter des Hauptdarstellers in den Überlegungen der Degeto ebenfalls eine Rolle gespielt hat, aber Kockisch wirkt keineswegs wie ein alter Mann. Verfolgungsjagden oder gar Schlägereien gehören ohnehin nicht zum Markenkern der Donna-Leon-Verfilmungen, und auch das dürfte ein Teil des Erfolgsgeheimnisses sein. Der Schauspieler hatte im Grunde nie mehr zu tun, als würdevoll durch die Stadt zu schreiten, Verdächtige zu befragen und sich zum Abendessen auf der traumhaft gelegenen Dachterrasse der Brunettis einzufinden. 

Kockisch spielte den Brunetti seit 2003, Sigi Rothemund und sein treuer Kameramann Dragan Rogulj sind sogar noch länger dabei; das Duo hat seit der dritten Episode, "In Sachen Signora Brunetti" (2002), sämtliche Folgen gedreht. Eine gewisse Routine konnte da fast nicht ausbleiben, etwas mehr Tempo hätte den Krimis sicher gut getan, aber auch das gehörte zum Markenzeichen, selbst wenn die Inszenierungen auf diese Weise etwas aus der Zeit gefallen wirkten. Andererseits gilt das ja auch für den besonderen Stil Donna Leons. Die Herausforderung der Drehbuchautoren bestand nicht zuletzt darin, Tonfall und Atmosphäre der Vorlagen treu zu bleiben, was in der Regel sehr gut gelungen ist.

Das Drehbuch zu "Stille Wasser" ist von Stefan Holtz und Florian Iwersen, die seit knapp zehn Jahren regelmäßig für die Reihe arbeiten. Der amerikanischen Schriftstellerin wiederum war womöglich am wichtigsten, dass sich die jeweiligen Anliegen ihrer Romane auch in den Filmen widerspiegelten. Neben einem ausgeprägten Unrechtsbewusstsein waren das immer wieder ökologische Themen; im aktuellen Film geht es unter anderem um das Bienensterben. 

Den Machern ging es dagegen neben interessanten Krimis mit starken Persönlichkeiten vor allem um Schauwerte. Auch "Stille Wasser" wirkt mit häufigen Szenenwechseln, vielen Außenaufnahmen und Hochglanzbildern wieder sehr aufwändig. Zu den optisch eindrucksvollsten Einstellungen gehören diesmal die Bilder von Venedig in der beginnenden Dämmerung, wenn es noch nicht dunkel ist, aber bereits viele Lampen an sind. Natürlich hat eine gewisse Melancholie, die über dem Film liegt, auch mit dem Wissen um den Abschied zu tun; die Bilder nach Brunettis Ankunft auf Sant’Erasmo sehen in der Tat nach Lebensabend aus. Davon kann bei dem Romanhelden keine Rede sein: Im letzten Jahr hat der Diogenes-Verlag den 33. Band veröffentlicht.