TV-Tipp: "Wilsberg: Ungebetene Gäste"

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16. April, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wilsberg: Ungebetene Gäste"
Der 73. "Wilsberg"-Krimi war eine Pandemieproduktion, die aus den widrigen Bedingungen das Beste machte: ein überschaubares Ensemble, ein konkreter Schauplatz, keine Komparsen.

Clevererweise ist bei der Gelegenheit auf der Kerpener Burg Bergerhausen in der Nähe von Köln noch ein weiterer Film gedreht worden, und deshalb trägt sich die Handlung von "Ungebetene Gäste" im gleichen abgelegenen Wasserschloss zu: Weil Privatdetektiv Wilsberg (Leonard Lansink) und sein Freud Ekki (Oliver Korittke) die Rechtsanwältin Tessa Tilker (Patricia Meeder) damals vor Ungemach bewahrt haben, möchte sie sich nun mit einem Essen revanchieren. Daraus wird jedoch nichts, denn das Hotel ist wie ausgestorben, was sich jedoch recht bald als das kleinste Problem entpuppt: Nach und nach trudeln die verschiedenen Titelfiguren ein, und mit jedem Besuch wird das Unheil, das sich über dem Trio zusammenbraut, ein Stückchen größer.

Für "Wilsberg"-Fans ist der 75. Film das reinste Fest, denn Stefan Rogall hat sein Drehbuch als Mischung aus Krimi, Boulevardkomödie und Klassentreffen konzipiert. Die Geschichte besticht durch ständige Wendungen, wobei der Begriff durchaus wörtlich zu nehmen ist: Praktisch jedes Mal, wenn jemand in dem unübersichtlichen Gemäuer um eine Ecke biegt, wendet sich das Blatt, da einige der Beteiligten die Seiten wechseln, und das zum Teil sogar mehrfach. Das funktioniert vortrefflich, weil fast alle vorgeben, jemand anders zu sein: Als unversehens der Verbrecher Sven Degen (Michael Pink) in Begleitung seiner leicht blasierten jungen Freundin (Maria Wördemann) auftaucht, beide angeblich auf der Durchreise nach Norderney, ahnt Wilsberg, dass das kein Zufall ist, denn Tessa hat den Mann vor sieben Jahren als Staatsanwältin hinter Gitter gebracht; und Degen hat geschworen, sich zu rächen. Flugs gibt sich der Detektiv als Hotelbesitzer aus und macht Ekki zu seinem Geschäftsführer. 

Nächster Gast ist Harald Drechshage (Stefan Haschke): Der "Dödelkommissar aus Bielefeld", wie ihn Wilsberg unfein tituliert, will Tessa vor Degen beschützen. In ganz Westfalen gibt es nur einen Polizisten, der noch eingebildeter ist, und selbstredend lässt auch Overbeck (Roland Jankowksy) nicht lange auf sich warten. Regisseur Martin Enlen gönnt dem Kriminaloberkommissar einen Auftritt in Zeitlupe; bei einer Kinopremiere in Münster gäb’s nun garantiert Szenenapplaus. Wilsberg macht den einen zum Pagen und den anderen zum Koch, und prompt liefern sich die beiden Männer alsbald einen Wettbewerb. Aber auch Degen bekommt Verstärkung, und Drechshage staunt nicht schlecht, als der Komplize, Marius Stoll (Nikolaus Benda), in Begleitung seiner Kollegin (Mai Doung Kieu) erscheint, weshalb der Film fortan nicht zuletzt von der Neugier lebt: Welches Spiel spielt Nguyen Thuong Nhi? Was befindet sich in den beiden Taschen, die sie und Stoll nicht aus den Augen lassen? Was wird aus Tessa, die ihr Versteck verlassen hat und dem Ganoven in die Arme gelaufen ist? Und wie ist es Overbeck, der nach eigenem Bekunden nicht mal ein Ei kochen kann, gelungen, ein perfektes Menü auf den Tisch zu zaubern?

Der einzige, der den Überblick nicht verliert, ist neben Wilsberg ausgerechnet der Verbrecher. Degen durchschaut das Komplott gleich zu Beginn und freut sich: "Das wird ein großer Spaß!" Damit liegt er völlig richtig. Die Dialoge sind das reinste Vergnügen, wobei die meisten Pointen auf Kosten der beiden Polizisten gehen: Ekki will die Polizei einschalten, Drechshage gibt ihm zu verstehen, er sei doch schon da, worauf Wilsberg einwirft: "Die richtige Polizei!" Später liefern sich die Kommissare ein verbales Kochduell. Die Freude des Ensembles an der kammerspielartigen Konstellation ist jederzeit spürbar, zumal die gelungenen Slapstick-Einlagen für weitere Kurzweil sorgen.

Da Rita Russek diesmal nur eine Gastrolle innehat, gibt es im Schloss zwar eine deutliche Männermehrheit, doch dafür sind die Frauen umso aufregender. Mai Doung Kieu erfreut zur Titelmusik aus dem Serienklassiker "Mit Schirm, Charme und Melone" durch eine Emma-Peel-Einlage, Patricia Meeden ist als "Wilsberg"-Verstärkung ohnehin zu schön, um wahr zu sein, und auch Maria Wördemann weiß als vermeintlich gelangweiltes wandelndes Rätsel ihre Akzente zu setzen.

Dass Rogall schließlich zusätzlich zu den Versteck- und Wechselspielen auch noch "Warten auf Godot" ins Spiel bringt, ist so etwas wie die Krönung der an Imponderabilien und sonstigen Überraschungen außerordentlich reichen Handlung.