TV-Tipp: "Tatort: Hubertys Rache"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
27. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Hubertys Rache"
Ein Mann mit einer Waffe und ein Ausflugsschiff mit knapp zwanzig Menschen an Bord: Mehr braucht es nicht für einen packenden Thriller.

Dass der Geiselnehmer außerdem angibt, jederzeit eine Bombe zünden zu können, treibt die Spannung zusätzlich auf die Spitze. Das erfahrene Drehbuch-Ehepaar Eva und Volker A. Zahn hat bereits diverse Sonntagskrimis geschrieben, aber noch nie einen "Tatort" aus Köln - obwohl die beiden dort leben und ihre erfolgreichsten Dramen für den WDR entstanden sind; also wollten sie sich für ihre Premiere einen ganz besonderen Stoff ausdenken. Das ist ihnen wahrlich gelungen.

Schon der Prolog, als sich der spätere Antagonist des Duos Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) auf dem Schiff zu schaffen macht, sorgt dank Bildgestaltung und Musik für Nervenkitzel. Dieses Niveau wird Regisseur Marcus Zeiler halten, wobei sich die Handlung zwischendurch immer wieder zuspitzt.

"Hubertys Rache" ist der fesselndste Kölner Krimi seit "Franziska" (2014); das Geiseldrama, in dem die Assistentin der Hauptkommissare ermordet wurde, war damals derart spannend, dass die ARD den Film aus Gründen des Jugendschutzes erst nach 22 Uhr zeigen konnte.

Das Drehbuch ist kompakt und sorgt trotz der vermeintlich übersichtlichen Gemengelage für diverse Überraschungen, aber zu einem deutlich überdurchschnittlichen guten "Tatort" wird Weilers Inszenierung durch das Ensemble, zumal sich Stephan Kampwirth als ausgezeichnete Wahl für den Geiselnehmer erweist: Daniel Huberty ist vor vielen Jahren aus dem Schuldienst entlassen und zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er ein Verhältnis mit einer 14jährigen Schülerin hatte.

Er will kein Lösegeld, sondern eine öffentliche Rehabilitierung. Deshalb soll die Polizei dafür sorgen, dass alle, die ihm damals Unrecht getan haben, aufs Schiff kommen, darunter auch Rainer Piontek, Chef eines großen Immobilienunternehmens, der Hubertys Existenz nach der Entlassung aus dem Gefängnis ein zweites Mal zerstört hat, als er von dessen Vorgeschichte erfuhr und die Räumlichkeiten für eine Nachhilfeschule gekündigt hat. Staatsanwältin Svenja Poulsen (Christina Große) ist bereits an Bord, ihre Tochter hat Geburtstag, und diesen Tag begehen die beiden traditionell mit einem Ausflug auf dem Rhein.

Diese Rahmenbedingungen würden im Grunde bereits genügen, zumal die Polizei im Hintergrund fieberhaft nach einer Möglichkeit sucht, um das Schiff zu stürmen, ohne das Leben der Passagiere zu gefährden; auf Hubertys Forderungen einzugehen kommt laut Poulsens Kollegin Novak (Renan Demirkan) nicht in Frage. Die Idee, SEK-Beamte von einer Brücke abzuseilen, während das Schiff drunter durch fährt, scheitert, weil Huberty das Boot vorher wenden lässt.

Als die Lage aussichtslos erscheint, sorgt das Drehbuch mit einer cleveren Volte dafür, dass Ballauf aufs Schiff kommt: Huberty hat Piontek nie persönlich getroffen, und weil der Mann äußerst öffentlichkeitsscheu ist, gibt es auch keine Fotos von ihm. Also schlüpft der Hauptkommissar kurzerhand in dessen Rolle, was den Film dramaturgisch und darstellerisch nochmals auf eine höhere Stufe hebt: Ballauf muss nicht nur tunlichst darauf achten, dass seine Scharade nicht auffliegt, sondern auch überprüfen, ob die Sache mit der Bombe bloß ein Bluff ist.

Tatsächlich entdeckt er den Sprengstoff im Maschinenraum; eine Explosion würde alle Menschen an Bord töten. Behrendt wiederum hat spürbar Spaß am Doppelspiel, und auch in dieser Hinsicht haben sich Buch und Regie etwas einfallen lassen: Hannes Hellmann war sich nicht zu schade, sich für eine kurze Befragungsszene zur Verfügung zu stellen, was auf reizvolle Weise zur Folge hat, dass nicht nur Ballauf in die Rolle des Unternehmers, sondern auch Behrendt ein wenig in die des Schauspielkollegen schlüpft.

Der Rest ist ein Thriller, der recht aufwendig wirkt und sicher nicht leicht zu drehen war, zumal sich die Handlung größtenteils auf dem Schiff zuträgt (die Innenraumszenen sind allerdings im Studio entstanden): Verzweifelt versucht Schenk, der im telefonischen Kontakt mit Huberty steht, auf Zeit zu spielen; außerdem fürchtet er natürlich um das Leben seines langjährigen Partners.

Den emotionalen Höhepunkt hat sich das Drehbuch dennoch für den Schluss aufgehoben, als es per Videotelefonat zum Gespräch zwischen Huberty und seiner früheren Schülerin kommt; Mathilde Bundschuh spielt das ebenso vorzüglich wie alle anderen Mitglieder des Ensembles, aus dem noch Anna Bachmann als Tochter der Staatsanwältin hervorzuheben ist.

Respekt gebührt aber vor allem dem Regisseur. Für Marcus Weiler ist "Huberty Rache" ein durchaus ungewöhnlicher Stoff: Zu seinen letzten Arbeiten zählten zwei Episoden der tragikomischen Reihe "Marie fängt Feuer" (2019). Bei seinen Beiträgen für "Der Kommissar und das Meer" (2009, ebenfalls ZDF) war die Atmosphäre wichtiger als Spannung oder Tempo, und sein Versuch, aus der einstündigen Krimireihe "Mordshunger" mit "Verbrechen und andere Delikatessen: Wilder Westen" (2015, alle ZDF) einen Film zu machen, ist auf der ganzen Linie gescheitert.

Vielleicht brauchte er einfach nur ein richtig gutes Drehbuch; Eva und Volker A. Zahn haben ihre meisten Auszeichnungen (darunter den Grimme-Preis) für das Schülerdrama "Ihr könnt euch niemals sicher sein" (2008) und für "Das Leben danach" (2017) erhalten, ein herausragendes Drama mit Jella Haase als junge Frau, die als Überlebende der Duisburger Love-Parade auch Jahre später kein normales Leben mehr führen kann.