Missbrauchsopfer erhalten 9,4 Millionen Euro

Der Schatten eines Priesters fällt auf das Pflaster
© Luca Bruno/AP/dpa
Die Unabhängige Kommission der Bischofskonferenz berichtet über die Zahlung von Anerkennungsleistungen an Missbrauchsopfer durch katholische Bistümer.
Katholische Bistümer zahlen
Missbrauchsopfer erhalten 9,4 Millionen Euro
Die Anerkennungsleistungen für Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche sind ein Streitthema. Erstmals hat die von der Deutschen Bischofskonferenz berufene Unabhängige Kommission jetzt einen Tätigkeitsbericht vorgelegt.

Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche haben im vergangenen Jahr Anerkennungsleistungen in Höhe von rund 9,4 Millionen Euro erhalten. Bis Ende 2021 seien rund 600 Fälle entschieden worden, teilte die Vorsitzende der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen, Margarete Reske, bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichts am 18. Februar mit. Ein solcher Bericht der von der Deutschen Bischofskonferenz 2020 berufenen Kommission wurde erstmals vorgelegt.

Bis Ende 2021 seien insgesamt 1565 Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids aus den 27 katholischen Bistümern eingegangen. 949 Anträge waren bis Ende 2021 nicht entschieden. Leider sei die Zahl der nicht entschiedenen Anträge immer noch so hoch, dass die Kommission damit nicht zufrieden sein könne, sagte die ehemalige Kölner Richterin Reske.

Um den Rückstau aufzulösen, sei die Kommission personell noch einmal aufgestockt worden. Betroffene hatten die Dauer der Verfahren und die Höhe der Anerkennungsleistungen in der Vergangenheit kritisiert.

Laut Tätigkeitsbericht wurden im vergangenen Jahr 12,9 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen zuerkannt. Ausgezahlt wurden 9,4 Millionen. Die Differenz von 3,5 Millionen Euro ergibt sich durch eine Verrechnung mit bereits früher geleisteten Zahlungen. Von den 606 Antragsstellern, die Leistungen erhielten, waren 481 Männer und 125 Frauen.

Über 50.000 Euro sind Ausnahme

Die Bistümer Essen, Münster, Freiburg, Speyer und Trier zahlten in Summe je über eine Million Euro an Betroffene. Aus Essen, Münster und Freiburg lagen zudem besonders viele Anträge vor. 128 Anträge seien priorisiert worden wegen des hohen Alters oder einer schweren Krankheit der Betroffenen.

In 47 Fällen entschied die Kommission, Betroffenen Anerkennungsleistungen in Höhe von mehr als 50.000 Euro zuzuerkennen. In sechs Fällen gab es Leistungen über 100.000 Euro. Die Höhe der Summen orientiert sich laut Verfahrensordnung am oberen Ende von Schmerzensgeldzahlungen in vergleichbaren Fällen. Die Verfahrensordnung sieht jedoch nur in Ausnahmefällen höhere Zahlungen als 50.000 Euro vor. Die kirchlichen Institutionen müssen dazu ihre Zustimmung geben, was in jedem der 47 Fälle passiert sei, sagte Reske.

Stimmung gegen Woelki in Köln

Faktoren für die Bemessung der Leistungshöhe sind laut Verfahrensordnung die Häufigkeit und Dauer der Missbrauchstaten, das Alter des Betroffenen, die Tatmerkmale, die Folgen der Tat, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Täter und Opfer und ein möglicherweise vorliegenden institutionelles Versagen. Reske sagte, die Basis für die intensiven Beratungen innerhalb der Kommission seien immer die eigenen Schilderungen der Antragssteller. Bei allen Zahlen sei das allerwichtigste das Einzelschicksal, das den Kommissionsmitgliedern in den Akten begegne.

Im Erzbistum Köln mehren sich die kritischen Stimmen vor der geplanten Rückkehr von Kardinal Rainer Maria Woelki am 2. März. Nach einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des "Kölner Stadt-Anzeigers" sind 82 Prozent der Kirchenmitglieder im Erzbistum der Ansicht, Papst Franziskus sollte Woelki jetzt absetzen. 92 Prozent meinen, Woelki hätte von sich aus Konsequenzen ziehen und zurücktreten sollen. Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" fordert eine offizielle Mitgliederbefragung durch das Erzbistum.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) beklagt ein "Schweigekartell in der katholischen Kirche" und fordert, die Ausarbeitung des Missbrauchsskandals in staatliche Hände zu legen.

Kardinal Woelki wegen seines Umgangs mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kritik. Nach einer Überprüfung der Vorgänge durch päpstliche Visitatoren hatte Papst Franziskus entschieden, dass Woelki im Amt bleiben darf, ihn aber zugleich für eine knapp fünfmonatige "geistliche Auszeit" beurlaubt. Am 2. März, dem Aschermittwoch, soll Woelki laut päpstlichem Dekret die Leitung des mitgliederstärksten deutschen Bistums wieder übernehmen.

Gegen diese Entscheidung ging der Erzbischöfliche Rat inzwischen auf Distanz. Das 20-köpfige Gremium, das als engster Beraterstab des Erzbischofs gilt, habe intensiv an Szenarien für die Zeit nach Aschermittwoch gearbeitet, teilte Kommunikationsdirektor Christoph Hardt am 17. Februar mit. Dabei sei Skepsis laut geworden, dass eine Zukunft mit Woelki an der Spitze gedeihlich gelingen könne. Dem Rat gehören auch der derzeitige Administrator, Weihbischof Rolf Steinhäuser und Generalvikar Markus Hofmann an.