TV-Tipp: "Ich bin dein Mensch"

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22. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ich bin dein Mensch"
In einem der wichtigsten Werke der Science-Fiction-Literatur, "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?", ist Philip K. Dick vor gut fünfzig Jahren der Frage nachgegangen, was den Mensch zum Menschen macht.

Nicht nur im Unterschied zum Tier, sondern auch zum Roboter. Letztlich, so lautete seine Antwort, sei dies nicht die Intelligenz, sondern die Fähigkeit zur Empathie. Ridley Scott hat sehr frei nach Dicks Vorlage seinen nicht minder einflussreichen Film "Blade Runner" gedreht. Bei Dick und Scott sind die Roboter nicht nur äußerlich von Menschen nicht mehr zu unterscheiden; sie verlangen daher ihren eigenen Platz in der Gesellschaft.

Darum geht es hintergründig auch in "Ich bin dein Mensch" von Maria Schrader. Das Drama  erzählt gewissermaßen die Vorgeschichte zum Klassiker: Anthropologin Alma (Maren Eggert) soll im Rahmen einer Studie drei Wochen lang mit einem ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen humanoiden Roboter zusammenleben. Streng genommen ist sie als Single aus Überzeugung für den Test völlig ungeeignet, weil sie den Androiden schon aus Prinzip als maschinellen Emotionssimulator betrachtet, weshalb sie zunächst auch höchst unwillig auf die zudem eher ungeschickten Flirtversuche reagiert. Aber "Tom" (Dan Stevens) ist zuversichtlich, dass sich die Beziehung einspielen wird: Mit jedem Irrtum perfektioniert sich sein Algorithmus. Tatsächlich wird es für Alma zunehmend schwieriger, ihrer distanzierten Haltung treu zu bleiben.

Schrader hat das Drehbuch wie schon bei ihrem letzten Werk, "Vor der Morgenröte", gemeinsam mit Jan Schomburg verfasst. Es basiert auf einer Kurzgeschichte von Emma Braslavsky, deren Erzählung wiederum im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von NDR und SWR entstanden ist. Diese "Geschichten von Morgen" haben bislang zu den Filmen "Exit" (2020) und "Das Haus" (kürzlich im "Ersten") geführt. Anders als diese beiden ist "Ich bin dein Mensch" kein typisches Science-Fiction-Werk, sondern eine mehr oder weniger im Hier und Jetzt angesiedelte Liebesgeschichte. Maren Eggert ist für ihre Verkörperung der skeptischen Alma mit dem Silbernern Bären und dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet worden.

Dan Stevens ist leer ausgegangen, dabei ist die männliche Hauptrolle im Grunde die schwierigere: Die Herausforderung für den Engländer bestand in der Gratwanderung, Tom einerseits als Maschine zu verkörpern, ihm andererseits jedoch auch eine gewisse Menschlichkeit zu verleihen. Seine Mimik zum Beispiel ist zwar sparsam, aber nicht ausdruckslos. Toms Metamorphose ist zudem mindestens so reizvoll wie Almas Wandel: Anfangs macht er tatsächlich den Eindruck einer attraktiven Rechenmaschine, doch dann entwickelt er zunehmend eine sehr sympathische Form von Humor. In der witzigsten Szene des Films ist Almas Chef (Falilou Seck) beeindruckt, wie lebensecht Tom doch wirkt; der antwortet darauf in monotoner Automatensprache.

Der Dekan gehört zur Ethikkommission, die eine Empfehlung zum rechtlichen Status der Androiden geben soll; in dieses Gutachten werden auch Almas Erkenntnisse einfließen. Weil sich das Drama auf die beiden Hauptfiguren konzentriert, kommen die entsprechenden Aspekte und die damit verbundenen Denkanstöße erst gegen Ende zum Tragen. Nicht obwohl, sondern gerade weil Alma Gefühle für Tom entwickelt hat, plädiert sie gegen die Vermenschlichung von Maschinen: Wer sich an den Umgang mit den allwissenden, stets höflichen und zudem grenzenlos geduldigen Humanoiden gewöhne, sei anschließend nicht mehr in der Lage, sich auf seine alles andere als perfekten Mitmenschen einzulassen.

Damit das Drama nicht allein auf die Beziehung reduziert bleibt, lassen Schrader und Schomburg einige interessante Nebenschauplätze in die Handlung einfließen. Interessanter und näher am Kern der Geschichte als Almas Besuche beim zunehmend dementen Vater (Wolfgang Hübsch) ist ihr Beruf: Sie ist Expertin für sumerische Keilschrift und beschäftigt sich am Pergamon-Museum mit uralter Lyrik. Tom entdeckt jedoch, dass ihre Arbeit der letzten Jahre wertlos ist, weil eine argentinische Kollegin am selben Thema geforscht hat und ihre Erkenntnisse demnächst veröffentlichen wird. Alma ertränkt ihren Frust in Alkohol und macht die verblüffende Erfahrung, dass Tom ihr Sexangebot dankend ablehnt. Neben den präzisen Dialogen sind es nicht zuletzt diese kleinen Überraschungen, die den besonderen Reiz des Films ausmachen. Sehenswert besetzt ist auch der Rest des Ensembles, unter anderem mit Sandra Hüller als Repräsentantin der Robot-Firma sowie Jürgen Tarrach als weitere Testperson, die zu einem ganz anderen Schluss kommt als Alma. "Ich bin dein Mensch" hat drei weitere Deutsche Filmpreise bekommen (bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch) und ist als deutscher Kandidat für den Auslands-"Oscar" nominiert.