TV-Tipp: "Der Bozen-Krimi: Mord am Penser Joch"

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21. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Bozen-Krimi: Mord am Penser Joch"
Lose Enden mag er nicht, der Mafiaboss, und es ist klar, was er damit meint: Der Satz ist ein Todesurteil. Zuschauer mögen ebenfalls keine losen Enden, und deshalb waren die Krimis aus Bozen von Anfang an als Fortsetzungsgeschichten angelegt.

Jeder Film verknüpft eine durchgehende Erzählung mit einer in sich abgeschlossenen Ermittlung. Die Ergebnisse waren derart unterschiedlich, dass die Reihe schließlich einer Wundertüte glich; viel zu oft war der Kampf der aus Deutschland stammenden Sonja Schwarz (Chiara Schoras) gegen die Mafia deutlich spannender als die aktuellen Fälle. In der 13. Episode, „Mord am Penser Joch“, ist die Verknüpfung sehr gut gelungen, auch wenn selbst Fans der Reihe anfangs gewisse personelle Orientierungsprobleme haben könnten, weil die Ausstrahlung des letzten Teils eineinhalb Jahre zurück liegt. „Zündstoff“ (2020) war zwar eher enttäuschend, hat aber eine Saat gelegt, die nun aufgeht: Sonja hat ein Verhältnis mit einem Kollegen von der Anti-Mafia-Behörde, der das Vertrauen des neuen Paten gewonnen hat und daher ein gefährliches Doppelspiel führt. Weil er Sonja nie in seine Pläne einweiht, weiß sie nicht, ob sie ihm überhaupt trauen kann; womöglich hat Riccardo (Stefano Bernardin) längst die Seiten gewechselt.

Viel Zeit zum Grübeln hat die Polizistin, nach der Versetzung ihres früheren Chefs mittlerweile Capo, allerdings ohnehin nicht, denn während der Proben für die Rekonstruktion der berühmten Schlacht am Bergisel ist es zu einem echten Todesfall gekommen. Das Opfer ist ein pensionierter Polizist. Der Mann war Alkoholiker und wegen eines Krebsleidens ohnehin dem Tode geweiht. Zwei Jahre zuvor hat er versucht, eine Frau zu vergewaltigen. Sie gehört ebenfalls zu der Gruppe, die das Gefecht nachstellt. Der Pfeil stammt offenkundig aus ihrer Armbrust, der Fall scheint geklärt; bis Sonja erkennt, dass die Lösung für den Mord nicht zwei, sondern zehn Jahre zurückliegt, als am Penser Joch ein Geldtransport überfallen worden ist; beide Fahrer sind damals erschossen worden.

Die Schilderung der historischen Hintergründe klingt ein bisschen nach Geschichtsunterricht, ist aber trotzdem interessant; Andreas Hofer, der 1809 den Aufstand gegen die Franzosen und die mit ihnen verbündeten Bayern anführte, gilt noch heute in Tirol als Volksheld. Trotzdem wird dieser Teil der Handlung erst durch die Spur in die jüngere Vergangenheit richtig interessant. Der zweite Strang ist dagegen von Anfang an spannend: Riccardo soll mit einem Mord beweisen, dass er wirklich zur „Familie“ gehört. Die Tat hat trotz eines verblüffenden Drehbuchclous zur Folge, dass Schwarz-Kollege Jonas Kerschbaumer (Gabriel Raab) fortan untröstlich ist. Daran können auch die Avancen einer attraktiven Fotografin (Mariam Hage) nichts ändern, zumal sich rausstellt, dass die junge Frau ganz erheblich in den Mord an dem Ex-Polizisten verwickelt ist. Derweil soll sich Riccardo auf Geheiß des Paten (Leonardo Nigro) an eine Abgeordnete ranmachen: Maria Senoner (Picco von Groote) ist nicht nur Spitzenkandidatin der örtlichen Ökopartei, sondern auch Vorsitzende des Bauausschusses. Ihre Stimme könnte den Ausschlag für ein milliardenschweres Projekt geben, dass der Mafia auf einen Schlag einen enormen und ganz legalen Einfluss auf ganz Südtirol und weite Teile Norditaliens geben würde; auch auf dieser Ebene kommt es zu einer unerwarteten Wendung.

In diesen Überraschungen (Drehbuch: Florian Hanig, Catrin Lüth) liegt der größte Reiz des Films, dem Thomas Nennstiel dank der fließenden Kamerabewegungen (Timo Moritz) und des gerade in den Revierszenen sorgsam gesetzten Lichts eine elegante Anmutung gegeben hat. „Mord am Penser Joch“ ist Nennstiels erste Arbeit für den „Bozen-Krimi“; zuletzt hat er fürs ZDF die Komödien über die „Familie Bundschuh“ inszeniert. Sehr präsent ist auch die Musik von Enjott Schneider, der stets den richtigen Ton für die verschiedenen Stimmungen findet und dafür sorgt, dass Kerschbaumers Abschied von seiner Geliebten (Sinja Dieks) zur mit Abstand bewegendsten Szene des Films wird. Die neuen Mitglieder des Ensembles mögen nicht zur Top-Prominenz zählen, sind aber treffend ausgewählt. Leonardo Nigro, der für die ARD-Tochter Degeto schon die Hauptrolle in den nach nur zwei Episoden wieder eingestellten „Urbino-Krimis“ gespielt hat, ist ein würdiger Nachfolger für Thomas Sarbacher als Provinzpate, und der Wiener Stefano Bernardin (auch er war schon in den „Urbino-Krimis“ dabei) ist ohnehin ein interessanter Typ, der seine Doppelrolle zudem sehr überzeugend spielt.