TV-Tipp: "Dreiraumwohnung"

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Montag, 23. August, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Dreiraumwohnung"
Montag, 23. August, ZDF, 20.15 Uhr TV-Tipp: "Dreiraumwohnung"
Wenn sich zwei Menschen auf ideale Weise ergänzen, gilt das als "perfect match". Das ist zwar romantisch, aber natürlich nicht komisch. Komödien setzen daher lieber auf Gegensätze: Je stärker die Kontraste sind, desto größer ist das Humorpotenzial. Das ZDF zeigt es mit "Dreiraumwohnung".

Im Idealfall handelt es sich in einer Komödie um ein "perfect mismatch", und darum ging es in Isabell Kleefelds ZDF-Komödie "Zweibettzimmer" (2017) mit Anja Kling und Carol Schuler: Herzchirurgin Konstanze, die ihr Leben perfekt unter Kontrolle hat, und Glitzernudel Jackie landeten im selben Krankenzimmer, mussten irgendwie miteinander klarkommen und wurden aller Unterschiede zum Trotz Freundinnen. Die Fortsetzung "Dreiraumwohnung" spielt drei Jahre später. Die Freundschaft hat offenbar nicht länger gehalten als der gemeinsame Aufenthalt in der Reha-Klinik. Eines Tages steht Jackie vor Konstanzes Tür und bittet um Hilfe: In ihrer Wohnung ist ein Wasserrohr gebrochen, sie braucht für sich und ihre Kinder ein Ausweichquartier. Aus der einen Nacht wird ein Wochenende, und auch dabei bleibt es nicht.

Dieses dürre Handlungsgerüst genügt Kleefeld, die das Drehbuch von Kirsten Peters überarbeitet hat, um daraus eine turbulente und äußerst witzige Komödie zu machen. Die Fortsetzung erzählt zwar im Grunde die gleiche Geschichte wie "Zweibettzimmer", aber das stört nicht weiter, weil es erneut ein großes Vergnügen ist, Kling und Schuler zuzuschauen.

Auch diesmal liegt der Reiz der Geschichte neben der Diametralität der beiden Hauptfiguren in der Unausweichlichkeit des Seins: Jackies Kinder bringen Konstanzes heile Welt gehörig in Unordnung (wobei "Unordnung" der pure Euphemismus ist), aber sie will die Familie auch nicht vor die Tür setzen, weil sie damit bei ihren eigenen Kindern endgültig unten durch wäre.

Außerdem setzen die Autorinnen gleich zu Beginn ein cleveres Vorzeichen: In der Klinik wird der Posten des Chefarztes frei. Fachlich ist Konstanze für den Posten prädestiniert, aber bei den durch eine externe Personalberatung durchgeführten Gesprächen offenbaren sich gewisse menschliche Schwächen: Bei der Frage nach Freundschaften bleibt sie stumm; da kommt Jackie mit ihrem Lebensmotto "Alles voll easy-peasy" gerade recht.

Neben den vielen Ideen für kleine und große Katastrophen in Konstanzes akkurat gestalteter Villa lebt "Dreiraumwohnung" von der völligen Unvereinbarkeit der beiden Lebensentwürfe. Jackie bricht mit ihren drei Kindern von drei verschiedenen Männern wie eine Abrissbirne in das penibel strukturierte Dasein der Ärztin ein. Deren biologisch-dynamisch ernährter Nachwuchs wiederum ist begeistert, auch wenn der Magen von Sohn Malte (Bruno Grüner) nach einem Abend mit Chips und Cola prompt rebelliert; von seiner neuen Begeisterung für Ballerspiele ganz zu schweigen.

Auch an der Tochter geht der Besuch nicht spurlos vorüber: Dank Jackies Nichte (Cosima Henman in einer Gastrolle) entdeckt sie die Vorzüge des grellen Make-ups. Lotte, als Mädchen in der Pubertät ohnehin mit einer ausgeprägten Mutterskepsis ausgestattet, gibt Konstanze kräftig Kontra; die junge Lene Oderich spielt das ausgezeichnet.

Die Dialoge sind die eine große Stärke des Films, die Darstellerführung die andere. Die Chaos-Queen ist erneut eine Paraderolle für Carol Schuler, und wie sich Anja Klings Konstanze als Spaßbremse zunächst krampfhaft um gute Miene zum bösen Spiel bemüht, bevor sie den Killerblick aufsetzt, ist nicht minder sehenswert.

Großartig ist auch die Idee, die finsteren Wolken, die sich regelmäßig über der Ärztin zusammenbrauen, musikalisch mit einem an die berühmten Akkorde aus "Der weiße Hai" erinnernden Motiv zu unterlegen; ansonsten sorgt die Musik von Iva Zabkar vor allem für gute Laune.

Offenkundig viel Freude an ihrer Rolle hat auch Kleefelds Lieblingsschauspielerin Caroline Peters als Konstanzes Kollegin und Konkurrentin Marit, deren Pokerface zur Folge hat, dass sich die Wirkung ihrer bösen Seitenhiebe erst zeitversetzt entfaltet.

Dritte Stärke ist das Gespür fürs Detail. Was bei Komödien gern als "gutes Timing" bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit oft genug eine Frage des Schnitts (Renata Salazar Ivanca): Ein emotionaler Ausbruch Konstanzes beim Bewerbungsgespräch entfaltet seine komische Wirkung erst durch den Umschnitt auf das konsternierte Gesicht des Beraters (Alexander Schubert).

Der Rest ist eine mitunter fast überschäumende Freude an dem Chaos, das Jackie anrichtet: Nachdem sie aus dem Wohnzimmer einem Alptraum in Pink und Lila gemacht hat, kommt es zu einem fatalen Haushaltsunfall, in dessen Folge die kontrollfreudige Konstanze ihrem Gast hilflos ausgeliefert ist. Was die beiden nun erleben, vom feuchtfröhlichen Karaoke-Abend bis hin zum nächtlichen "Doppel-Cop", würde auch einer Kinokomödie zur Ehre erreichen.

Kleefeld, für ihren Eifelkrimi "Arnies Welt" (2005) mit dem Grimme-Preis geehrt, hat zuletzt vorwiegend Dramen gedreht: Auf "Aufbruch in die Freiheit" (2018, Deutscher Fernsehpreis als Bester Film) mit Anna Schudt als Metzger-Gattin aus der Provinz, die in den frühen 70ern ihren Mann verlässt, folgte "Eine harte Tour" (2019), ein Ensembledrama, in dem sich ein Freundeskreis als selbstgerechter Haufen entpuppt; der Film bescherte ihr den Deutschen Fernsehpreis für die beste Regie.