TV-Tipp: "Charlotte Link: Im Tal des Fuchses"

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TV-Tipp: "Charlotte Link: Im Tal des Fuchses"
10. Juli, ARD, 20.15 Uhr
Was für ein grimmiger Auftakt: Ein junger Mann entführt eine Frau, sperrt sie mit etwas Wasser und Brot in eine Kiste. Kurz drauf wird er verhaftet, aber wegen eines völlig anderen Delikts, und verschwindet für drei Jahre hinter Gittern. Über die Entführung verliert er kein Wort.

Natürlich bezieht der Film (eine Wiederholung aus dem vergangenen Jahr) seine Spannung fortan unter anderem aus der Frage, was aus dem Opfer geworden ist. Die Frau wird immerhin von Katharina Schüttler verkörpert; es ist kaum anzunehmen, dass die bekannte Schauspielerin bloß für zwei Szenen engagiert worden ist. Den Ehemann spielt Benjamin Sadler, und auch das ist interessant, schließlich war er 2019 dreimal hintereinander als mutmaßlicher Täter zu sehen: erst als Serienkiller in einem vorzüglichen "Tatort" aus Dresden ("Das Nest"), dann als scheinbar liebender Ehemann, der seine Gattin in den Wahn treiben will ("Jenseits der Angst", ZDF) und zuletzt in "Ein verhängnisvoller Plan" (ZDF), einem raffinierten Thriller. Weil Sadler so schön melancholisch gucken kann und in vielen romantischen Filmen mitgewirkt hat, ist er die perfekte Besetzung für Figuren, hinter deren attraktiver Fassade womöglich Abgründe lauern. "Im Tal des Fuchses" ist die TV-Adaption eines Romans von Charlotte Link (Buch: Stefan Wild), und Couch-Kriminalisten dürfen nun rätseln, ob der kleinkriminelle Ryan (Ludwig Trepte) auf eigene Faust oder zum Beispiel im Auftrag des Gatten gehandelt hat.

Sehr clever ist auch die Dramaturgie. Der Film beginnt ohne lange Vorgeschichte: ein Ehepaar im Auto, ein Streit, der Mann fährt auf einen Parkplatz und vertritt sich mit dem Hund die Beine; als er zurückkommt, ist seine Frau spurlos verschwunden. Die zuständige Polizistin (Teresa Harder) ist überzeugt, dass sie über kurz oder lang wieder auftauchen wird. Der Auftakt ist jedoch nur ein Prolog; die eigentliche Handlung setzt drei Jahre später ein. Till Franzen hat neben verschiedenen Komödien ("Drei Väter sind besser als keiner", "Hausbau mit Hindernissen") auch Krimis gedreht, zuletzt unter anderem den Auftaktfilm zur ZDF-Reihe "Herr und Frau Bulle" ("Tod im Kiez"). Für Hochspannung stand der Regisseur bislang eher nicht; die ersten 15 Minuten von "Im Tal des Fuchses" sind allerdings von einer enormen Dichte, zumal die packende Musik (Andreas Weidinger) und die kurzen Einschübe mit der eingesperrten Frau für eine hohe emotionale Intensität sorgen.

Nach dem fesselnden Beginn kommt der Film naturgemäß erst mal zur Ruhe. Matthew Willard (Sadler) hat immer noch keine Ahnung, was aus Ehefrau Vanessa geworden ist. Ein befreundetes Ehepaar, Alexia und Ken (Christina Hecke, Arnd Klawitter), versucht, ihn ins Leben zurück zu locken und lädt ihn zum gemeinsamen Abendessen mit Alexias Kollegin Jenna (Lisa Bitter) ein. Die beiden Frauen arbeiten für die Lokalzeitung. Jenna findet Matthew sympathisch und bietet ihm an, den Fall aufzurollen. Ohne den Prolog würde der Film wie ein romantisches Drama beginnen: Eine neue Liebe hilft einem Witwer, über seinen Verlust hinwegzukommen. Zur gleichen Zeit wird Ryan aus dem Gefängnis entlassen. Als kurz drauf seine Freundin überfallen und krankenhausreif geprügelt wird, ist er überzeugt, dass Vanessa Rache nimmt. Endgültig zum Rätsel wird der Fall, als Alexia ebenfalls spurlos verschwindet; ihr Auto steht im Fox Valley an der gleichen Stelle, an der Matthew auch Vanessa zum letzten Mal gesehen hat.

Christina Hecke hat nicht viel zu tun und Arnd Klawitter rutscht gegen Ende ein bisschen ins Klischee ab, aber die drei Hauptdarsteller Sadler, Lisa Bitter und Ludwig Trepte sind sehenswert. Vielversprechend sind auch die wenigen Szenen von Deleila Piasko als Ryans Freundin; die junge Schauspielerin hat schon mit ihrer Nebenrolle im zweiten "Lissabon-Krimi" ("Feuerteufel") einen guten Eindruck hinterlassen. Ein weiterer Star des Films ist die Landschaft. Die Handlung spielt in Swansea, und das abweisende walisische Hinterland trägt viel zur speziellen Atmosphäre des Films bei. Gelungen ist auch die Synchronisation der britischen Nebendarsteller; bei deutschen Auslandsproduktionen sind die akustischen Unterschiede zwischen den Stimmen der deutschen Schauspieler und der Synchronsprecher oft störend. Während die Glaubwürdigkeit von Teresa Harder als Polizistin vermutlich Geschmackssache ist, sorgt die Musik auch weiterhin für Nervenkitzel. Die Bildgestaltung (Timo Moritz) setzt ebenfalls immer wieder Akzente und unterstreicht, dass den Beteiligten ein besonderer Film vorschwebte.

Im Anschluss um 21.45 Uhr zeigt die ARD eine weitere Link-Verfilmung: Der nicht minder fesselnde Thriller "Die Entscheidung" (2020) erzählt die klassische Geschichte vom unbescholtenen Zeitgenossen, der ohne sein Dazutun in ein Verbrechen gezogen wird. Eigentlich will Simon (Felix Klare) beschauliche Ferien in Südfrankreich verbringen, aber dann kommt alles ganz anders: Er gerät gemeinsam mit einer jungen Frau ins Visier einer skrupellosen Organisation, die ohne zu Zögern über Leichen geht, um die Spuren ihrer abscheulichen Machenschaften zu verbergen. Auch dieser Krimi beginnt ohne lange Umschweife. Regisseur Sven Fehrensen zieht in seinem Fernsehfilmdebüt alle Thriller-Register. Neben der vordergründigen Spannung lebt der Film vor allem von der Frage, wem Simon überhaupt trauen kann, denn die Gangster haben ihre Leute auch bei der Polizei.