TV-Tipp: "Tatort: Die Kunst des Krieges"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Die Kunst des Krieges"
4. Juli, ARD, 20.15 Uhr
Die Stadt Wien als Kulisse für den Kampf verfeindeter Banden von Kriminellen zeigt der Tatort "Die Kunst des Krieges" und wählt dabei etwas zu große Gesten.

Streng genommen ist der Titel eine Nummer zu groß für diesen Krimi aus Österreich, denn letztlich erzählt Thomas Roth (Buch und Regie) nur die Geschichte eines Revierkampfs. Doch der Schurke des Films, ein Mann mit dem harmlosen Namen Andy Mittermeier, ist ein glühender Verehrer von Sunzi. Der chinesische General hat vor 2500 Jahren "Die Kunst des Krieges" geschrieben, ein Standardwerk über die Kriegsführung, das heute womöglich noch größeren Einfluss hat als damals: weil sich nicht nur die Militärs, sondern vor allem ökonomische Strategen seiner Erkenntnisse bedienen.

Trotzdem ist "Die Kunst des Krieges", eine Wiederholung aus dem Jahr 2016, nicht in die "Tatort"-Historie eingegangen. Ein gewisses Manko liegt in der großen Geste, zu der Roth ausholt: Zunächst wird Wien als Schauplatz miteinander rivalisierender ausländischer Banden beschrieben, die sich angeblich darin überbieten, wer die brutaleren Methoden verwendet. Aber dann reduziert Roth diese Schlacht doch bloß auf den glatzköpfigen Zuhälter, der einen Konkurrenten aus dem Weg geräumt hat; wenn auch auf denkbar grausame Weise.

Roth hat neben diversen Wiener "Tatort"-Episoden auch viele Folgen für deutsche Reihen ("Der Kommissar und das Meer") gedreht. Sein großes Renommee verdankt er der österreichischen Kultreihe "Trautmann". Dass "Die Kunst des Krieges" nicht ganz die Erwartungen erfüllt, liegt auch an dem Polit-Thriller "Deckname Kidon" (2014), Roth letztem ORF-"Tatort", in dem Eisner und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) einen Waffenhändler jagen; das war ein Krimi von ganz anderem Kaliber. Mit Udo Samel hatte das Duo zudem einen Gegenspieler von Format; Michael Fuith ist als Ganove doch eher ein Operettenschurke. Dennoch ist Roth sechster Eisner-Krimi sehenswert. Die Handlung mag in der Zusammenfassung überschaubar klingen, ist in der Umsetzung aber eher undurchsichtig. Und das Thema im Hintergrund ist durchaus groß, denn letztlich geht es um das bedauernswerte Schicksal von Flüchtlingen, bei denen Schlepper und Schleuser zweimal kassieren: erst für die Flucht, dann für die "Vermittlung" in die Zwangsprostitution oder als billige Arbeitskräfte. Aber diese Ebene läuft quasi nebenher; anders als viele deutsche Kollegen hat Roth es tunlichst vermieden, diese Botschaft über die Krimiebene zu stellen.

Handwerklich ist der Film ohnehin hochsolide. Die von Techno-Rhythmen geprägte rasante Musik (Lothar Scherpe) verleiht dem Krimi eine enorme Dynamik, auch die Kameraarbeit (Robert Oberrainer) ist ausgezeichnet. Action gibt es auch: Eine Verfolgungsjagd ist temporeich inszeniert und kaschiert erfolgreich, dass Krassnitzer langsam in die Jahre kommt; und das dramatische Finale ist fast schon eines Kinofilms würdig. Ausgezeichnet sind wie stets die beiden Hauptdarsteller. Krassnitzer und Neuhauser spielen das Ermittlerduo längst wie ein altes Ehepaar, das nicht immer einer Meinung ist, was für die erhofften komischen Momente sorgt; doch sie würden füreinander durchs Feuer gehen. Diesmal stiehlt ihnen allerdings ein kleiner Hund die Show: Der Terrier gehörte dem Mordopfer und weicht Eisner nicht mehr von der Seite. Für die Fans der Wiener gibt es zudem ein Wiedersehen mit dem legendären "Inkasso-Heinzi", auch wenn Simon Schwarz nur einen winzigen Gastauftritt hat. Weitere Würze für kommende Krimis birgt der Auszug von Eisner Tochter Claudia (Tanja Raunig), die mit ihrem türkischen Freund Kerim zusammengezogen ist. Dass ihr Vater den jungen Mann beharrlich "Kermit" nennt, ist noch der harmloseste Hinweis auf seine Vorbehalte gegenüber dem Moslem, den er für einen potenziellen Fundamentalisten hält.