Zuversichtsbrief, Woche 71: Zungenhirten und Worthüterinnen

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Zuversichtsbrief, Woche 71: Zungenhirten und Worthüterinnen
Worte können verletzen. Sie können lügen und beleidigen. Niemand ist davor gefeit. Auch die Bibel weiß davon - und setzt ihre Weisheit dagegen. Der 1. Petrusbrief fordert die Gläubigen auf, "ihre Zunge zu hüten". Ein schönes Bild, findet Frank Muchlinsky und spricht darüber in seinem neuen Zuversichtsbrief.

Schließlich bitte ich euch: Seid untereinander einig, mitfühlend, voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber, barmherzig und bescheiden. Zahlt Böses nicht mit Bösem heim oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen. Wer sich am Leben freuen und gute Tage sehen will, soll seine Zunge hüten. Nichts Böses darf aus seinem Mund kommen und keine Lüge über seine Lippen. Er soll sich vom Bösen abwenden und Gutes tun. Frieden soll er suchen und sich dafür einsetzen. Denn die Augen des Herrn ruhen auf dem Gerechten und ihrem Gebet schenkt er sein Ohr. Aber er wendet sich gegen alle, die Böses tun.

1. Petrus 3,8−12 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.

Liebe Ab- und Zuversichtliche,

es ist endgültig Sommerzeit. Alles wird lockerer: die Kleidung, die Regeln, das Geld im Portemonnaie. Da wird es höchste Zeit, dass ich mit einem Text daherkomme, der dazu aufruft, wenigstens die Zungen im Zaum zu halten. Aber glauben Sie mir: Das tue ich nicht, um irgendjemandem den Spaß zu verderben. Ich mag diesen Abschnitt des Petrusbriefes einfach gern, weil er außer den Mahnungen auch eine recht einfache Weisheit enthält, und die steckt für mich in dem Ausdruck "die Zunge hüten".

Wir kennen diesen Ausdruck vor allem als Aufforderung. So steht sie hier im Petrusbrief, und so wird sie häufig verwendet: "Hüte deine Zunge!" Das klingt beinahe bedrohlich, als wolle man sagen: "Pass bloß auf! Noch ein falsches Wort …!" Als Drohung und Befehl gefällt mir das Zungenhüten auch nicht, aber als Bild. Wer seine Zunge hütet, ist eine Hirtin oder ein Hirte der eigenen Worte. Das Bild vom Hirten wird in der Bibel oft benutzt, um deutlich zu machen: Da kümmert sich jemand sehr gut um andere. Jesus bezeichnet sich als den guten Hirten, der 23. Psalm sagt: "Der Herr ist mein Hirte." David war Hirte, bevor er König wurde, und er wusste zu erzählen, dass man für diesen Beruf Mut und viel Einsatz braucht. Hirten kümmern sich um ihre Herde, und die besteht aus vielen Tieren. Jedem Einzelnen wird nachgelaufen, wenn es fehlt, man verteidigt sie gegen Wölfe und Löwen.

Ist das nicht ein schönes Bild für den richtigen Umgang mit der eigenen Rede: Hirte oder Hirtin der eigenen Zunge zu sein? Man hat im Blick, was man sagt. Man kümmert sich um jedes einzelne Wort. Man lässt der Zunge dann freien Lauf, wenn es Zeit und Umgebung gestatten. Eine gute Zungenhirtin wird aber wissen, wann ihre Worte verletzen können, ein guter Zungenhirte wird wissen, dass seine Worte nicht harmlose Schäflein sind. Im Bibeltext für diese Woche ist von Beleidigungen die Rede und von Lügen. Jeder Mensch weiß, dass diese Worte wehtun und Schlimmes entstehen lassen können. Niemand ist davor gefeit, selbst zu lügen oder zu beleidigen, aber Zungenhirtinnen und -hirten hüten ihre Worte eben weiser als andere. Es ist ihnen nicht egal, was ihre Worte anrichten. Sie kennen ihre "Herde" gut genug, um zu wissen, was sie bewirken können. Darum können sie ihre Worte weiser und liebevoller wählen.

In dem Abschnitt des Petrusbriefes, den ich ausgesucht habe, geht es um mehr als Worte. Es geht insgesamt um den richtigen Umgang miteinander. Worte sind ein wichtiger Teil dieses Umgangs. Sie können Böses bewirken oder Segen. Und hier stellt unser Text eine spannende Folge auf: Weil wir dazu berufen sind, Segen zu empfangen, sollen wir segnen. Das erscheint nicht unbedingt sofort als logische Konsequenz. Wenn ich dazu berufen bin, Segen zu empfangen, dann müsste ich mich doch in eine empfangende Haltung begeben, mich öffnen für diesen Segen. Aber das ist zu kurz gedacht. Wenn nicht ich, sondern wir berufen sind, Segen zu empfangen, müssen wir einander segnen.

Wenn Gott uns Menschen dazu berufen hat, dass wir Gutes empfangen sollen, müssen wir einander Gutes tun. Gute Zungenhirtinnen und -hirten wissen, dass das oft bedeutet, nicht mitzumachen bei dem, was angefangen wurde. Eine Beleidigung muss nicht mit einer weiteren beantwortet werden. Vorurteile und Verallgemeinerungen werden nicht wahrer dadurch, dass man sie weiterverbreitet.

Darum lautet die Wochenaufgabe diesmal selbstverständlich so: Seien Sie eine gute Hirtin, ein guter Hirte für Ihre Zunge! Passen Sie gut auf das auf, was Sie sagen. Vielleicht segnen Sie jemanden, oder Sie beantworten eine Beleidigung mit einem Hinweis darauf, dass Ihnen das wehtat, anstatt mit einem Gegenangriff. Ich bin sicher, dass Sie gute Hüter und Hüterinnen Ihrer Zunge sein werden.

Gott segne Sie!

Ihr Frank Muchlinsky