TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Thanners neuer Job"

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TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Thanners neuer Job"
Montag, 28. Juni, RBB, 23.45 Uhr
Dieser Film ist bemerkenswert. "Thanners neuer Job" markierte das vorläufige Ende der traditionellen "Polizeiruf"-Reihe des (ost-)Deutschen Fernsehfunks, der 1991 nach der Wiedervereinigung abgewickelt wurde. In diesem Geist ist auch Veith von Fürstenbergs Drehbuch entstanden: Seine Geschichte erzählt nicht etwa von Aufbruch, sondern von Abschied: Der Westen setzt der alles andere als begeisterten Ostberliner Kriminalpolizei einen neuen Vorgesetzten vor die Nase: Christian Thanner (Eberhard Feik) ist Kriminalhauptkommissar aus Duisburg und ja eigentlich eine "Tatort"-Figur.

Thanner soll die Zuverlässigkeit der ehemaligen Volkspolizisten überprüfen. Wenige Tage nach der Erstausstrahlung von "Thanners neuer Job" zeigte die ARD im Dezember 1991 allerdings das letzte gemeinsame Abenteuer von Thanner und seinem ungleich berühmteren Partner Schimanski (Götz George); Thanners neuer Job war gleichzeitig sein letzter Auftritt in einem Sonntagskrimi der ARD. Ein Jahr zuvor hatten die Kommissare aus Duisburg und Berlin schon mal zusammengearbeitet; "Unter Brüdern" war damals im Westen als "Tatort" und im Osten als "Polizeiruf 110" ausgestrahlt worden.

Viel interessanter als die Bedeutung des Films für die Fernsehgeschichte ist allerdings der Fall, mit dem es die Ostberliner Ermittler Peter Fuchs (Peter Borgelt) und Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller) zu tun haben, denn das Drehbuch des (westdeutschen) Autors und Produzenten von Fürstenberg setzt sich mit dem ostdeutschen Rechtsradikalismus auseinander.

Mit Wissen um die Entstehungsgeschichte des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ sieht man diese Ereignisse selbstverständlich ganz anders als vor 25 Jahren: "Thanners neuer Job" befasst sich mit dem gleichen Thema wie der im März ausgestrahlte Auftakt der "NSU"-Trilogie "Mitten in Deutschland" ("Die Täter"), der im Rückblick schilderte, wie sich das rechtsterroristische Trio nach der Wende gefunden hat und in den Untergrund gegangen ist.

Kurioserweise hat von Fürstenberg die gleiche Konstellation gewählt: eine junge Frau (Cathlen Gawlich) und zwei Männer (Thomas Lawinky, Jens Knospe). Die beiden Neonazis wollen eine Sparkasse ausrauben, um die "Bewegung" (deren Kopf spielt Wolf Roth) mit Geld zu versorgen. Weil sie nicht besonders clever sind, geht der Überfall schief; Fuchs tauscht sich selbst gegen die Geiseln aus.

Derweil bekleckert sich der neue Boss aus dem Westen nicht gerade mit Ruhm: Erst verpasst Thanner die Meldung vom Überfall, weil er nur noch seine Berliner Freundin Adelheid (Astrid Bless) im Kopf hat, später lässt er sich von den Verbrechern übertölpeln und den Dienstwagen klauen.

Leider setzt sich von Fürstenberg nicht intensiv genug mit den Motiven des Neonazi-Trios auseinander. Die Perspektivlosigkeit der ostdeutschen Jugendlichen, ein zentrales Thema des "NSU"-Films, bleibt völlig ausgespart. Dass vermutlich zwei von den Dreien Spitzel für den Verfassungsschutz gewesen wären, konnte der Autor damals naturgemäß nicht ahnen.

Auch handwerklich ist "Thanners neuer Job" nicht weiter auffällig. Bodo Fürneisen, Absolvent der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen, hatte bis dahin einige Fernsehfilme für den DFF gemacht und sollte später noch diverse "Polizeiruf"-Episoden drehen. Der Krimi ist solide, aber spannungsarm inszeniert; das gilt sogar fürs Finale, als Fuchs um sein Leben fürchten muss. Der grußlose Abgang des Kommissars am Schluss ist ein treffendes Bild für das Ende des DFF wie auch der DDR. Aus dem Rahmen fällt allein die mitunter mutwillig disharmonische Musik, die einige Aktionen allzu lautstark untermalt.

Interessant ist allerdings das weitere Schicksal der Darsteller: Sowohl für Peter Borgelt wie auch für Eberhard Feik war der Film eine ihrer letzten Arbeiten; beide starben 1994. Thomas Lawinky, der einen der beiden jungen Rechtsradikalen verkörpert, startete mit "Thanners neuer Job" eine Schurkenkarriere; das größte Aufsehen erregte er allerdings, als er bei einer Frankfurter Theateraufführung 2006 buchstäblich aus der Rolle fiel und einem Kritiker dessen Notizen wegnahm.

Den nachhaltigsten Eindruck des jungen Trios hinterlässt Cathlen Gawlich als Nazi-Birgit im Lonsdale-T-Shirt, die mit ihrer Kurzhaarfrisur und den schmalen Lippen als verblüffend ähnliche Jugendversion einer bekannten ostdeutschen Rechtspopulistin durchginge. Gawlich ist heute vor allem als Synchronschauspielerin vielbeschäftigt.

Eine wirkliche Etablierung im gesamtdeutschen Fernsehen ist allein Andreas Schmidt-Schaller gelungen. Der Vater von Petra Schmidt-Schaller hatte sich ab 1986 als unkonventioneller junger Leutnant in den "Polizeiruf"-Krimis das Prädikat "Schimanski des Ostens" erarbeitet und wurde später Gründungsmitglied der "Soko Leipzig" (seit 2001) im ZDF. Im "Polizeiruf"-Jubiläumsfilm "An der Saale hellem Strande" durfte er kürzlich noch mal in die Rolle des längst pensionierten Oberkommissars schlüpfen.